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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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zum letzten Mal gesehen hatte, das dachte sie nach diesen Begegnungen häufiger. Und sie dachte an das Haus, das sie erwartete. Sie hätte gern gewusst, ob Lachen und Lieder noch immer in den Wänden hingen, aber im Grunde wusste sie, dass sie nur eine leere Hülse antreffen würde, eine Art abgenagten Totenschädel, aus dem alle Gedanken sich ins Nichts verflüchtigt hatten.
    Der gelbe Streifen, der jetzt weiß war, sie hätte ihn fast überquert, sie zog den Wagen vorsichtig wieder nach rechts und versprach der Puppe, sich zusammenzureißen. Sie würden nicht auf diese Weise sterben. Die Puppe hing am Spiegel über dem Armaturenbrett und starrte sie aus blass gewordenen blauen Augen an.
    Sie sah ihn schon von fern. Der Schneeregen fiel jetzt dichter, der Wind trieb ihn in schweren Stößen schräg über die Felder, aber sie sah ihn trotzdem von fern. Er war riesengroß, sicher über zwei Meter, und er hob einen nackten Daumen in die Luft.
    Sie konnte Tramper nicht leiden. Sie konnte nicht einmal ein Bild von sich selber in dieser Rolle ertragen, einen Schnappschuss aus den siebziger Jahren, sie selbst irgendwo in der Nähe von Celle. Das Gefühl, sich fremden Menschen aufzudrängen, an das schlechte Gewissen zufällig Vorüberkom-mender zu appellieren. Und im Auto dann: die oft angstgeladene Spannung zwischen zwei Menschen, die einander zum ersten und einzigen Mal begegnen, wer bist du, wohin willst du, oder das Schweigen und die unerträgliche Langeweile. Sie betrachtete es als eine private, fast intime Handlung, an einem Nachmittag im eigenen Auto zu sitzen, in diesem geheizten Raum, und die Außenwelt schwarzweiß zu sehen. Deshalb registrierte sie mit einem gewissen Erstaunen, dass ihr Fuß vorsichtig auf die Bremse drückte. Im Spiegel sah sie, wie er auf die roten Rücklichter zurannte. Sie dachte, es sei noch nicht zu spät, sie sei diesem hochgewachsenen Mann gegenüber zu nichts verpflichtet, aber dennoch blieb sie mit laufendem Motor stehen.
    Er riss die Tür auf und ließ sich neben sie fallen, der Rucksack lag bereits auf seinem Schoß. Er trug Jeans und eine Windjacke Marke Fjällräven, die dichten braunen Haare klebten an seiner Stirn. Sofort roch ihr Wagen nach nassem Mann.
    »Scheiß drauf, wohin ich will. Schaff mich einfach weg von hier!« Er lächelte sie mit starken weißen Zähnen an. »Ich bin froh, wenn ich bis Holmestrand mitfahren kann, damit ich einen Kaffee kriege. Von dort aus komme ich mit Bahn oder Bus weiter.«
    Sie starrte lange in den Seitenspiegel, dann bugsierte sie den Wagen vorsichtig wieder hinaus in den spärlichen Verkehr. Die Autos kamen in Gruppen von vier, fünf, sechs. »Lange gewartet?«
    »Fast eine Stunde. Ich bin zuletzt mit zwanzig getrampt. Ich hatte total vergessen, wie übel das ist.«
    Sie nickte. »Ich wollte dich auch gar nicht mitnehmen. Es passiert soviel Mist. Damals waren andere Zeiten. Oder vielleicht waren wir anders.« Sie sagte »wir«, weil sie annahm, dass er ungefähr im gleichen Alter war wie sie. Mitte vierzig.
    »Beides.« Er wischte sich Wasser aus dem Gesicht.
    »Aber du hast mit zwanzig zuletzt hier auf dem Feld gestanden?«
    »Jetzt im Moment kommt mir das so vor. Nein, ein Kumpel hat mich mitgenommen. Wir hatten ein kleines Missgeschick, nichts Ernstes, aber die Karre wollte nicht mehr. Ich konnte entweder versuchen, auf eigene Faust weiterzukommen oder mit dem Abschleppwagen nach Drammen zurückfahren. Und diese Entscheidung habe ich dann getroffen, als es noch nicht schneite oder regnete oder wie zum Henker man das nennen soll, was sich da draußen abspielt.«
    Sie erkundigte sich nach seinem Ziel.
    Er hatte dasselbe wie sie. Eine Stadt an einem Fjord. Genauer gesagt, ihm stand ein Ferienhaus weit draußen am Meer zur Verfügung.
    »Ein Ferienhaus? Jetzt?«
    »Das ist winterisoliert. Ich vermiete es im Sommer und nutze es im Winter. Das ist ein gutes Arrangement.«
    Sie nickte. Sie fuhren im Schneckentempo weiter und schwiegen. Sie dachte, dass das hier ein Mann zum gemeinsamen Schweigen sei. Sein langer Körper hatte etwas Entspanntes, er lehnte sich auf seiner Seite an die Tür und widmete sich seinen eigenen Gedanken. Seine Augen waren blassblau, wie die der Puppe. Die hing dort und tanzte an ihrer Schnur hin und her.
    Ehe sie den Ort erreichten, bog sie von der Hauptstraße auf den Kreisverkehr ab, der zur Stadt führte, und er sagte: »Ich heiße Leo. Ich sage das nur aus Höflichkeit. Meine Eltern haben immer darauf bestanden, dass

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