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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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Kokon ein, sie saß ganz still da und ließ sich von feuchtem Schnee zudecken. Und wieder überkam es sie, dass sie zum ersten Mal seit ihrer Kindheit über ein Meer an Zeit verfügte. Ein unvorstellbarer Luxus, dem zwanzig Jahre der Berufstätigkeit sie ganz und gar entwöhnt hatten. Sie stellte sich die leeren Zimmer im alten Haus vor. Den Kamin. Die große, fast nackte Tischplatte vor dem Fenster. Die Puppe. Von niemandem erwartet. Ganz in der eigenen Welt. Der Gedanke an Leo machte ihr keine Sorgen mehr.
    Aus dem Nachtbuch:
    Er hat es jetzt so gut! Ein kleines Puppenhaus, und der Wald ganz dicht in der Nähe. Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, hat sie sicher das Essen schon fertig. Oder vielleicht nicht? Jedenfalls ist sie mit dem Kind zu Hause. Meine Anfangsbuchstaben ruhen noch immer geborgen in dem alten Holz. Hier haben wir gesessen und uns weit weggeträumt. Seltsam. Dieses neue Stück auf der alten Bühne zu spielen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass bestimmte geographische Punkte uns festhalten, dass sie unser ganzes Leben hindurch einen Teil unseres Unterbewusstseins ausmachen. Ein Teil von mir scheint immer hier unten gewesen zu sein. Wenn ich durch die alten vertrauten Zimmer gehe, scheint die Zeit ausgewischt zu sein, ich ertappe mich dabei, dass ich mit den Toten spreche, dass ich Lieder für Menschen singe, die nicht mehr da sind. Und das mit dünner Mädchenstimme. (Mama? Wohnt Gott in dem alten Apfelbaum beim Brunnen? Stimmt es wirklich, dass er sein kleines Kind zu mir heruntergeschickt hat?) Nina Granum. Kristiansand. Ich weiß nicht, wo sie ihn kennen gelernt hat. Derzeit nicht berufstätig. (Mutterschaftsurlaub? Ausbildung? Beruf?)
    Ich weiß fast nichts, und das macht mir zu schaffen, denn ich glaube, ihr geht es genauso. Sein Wagen stand vor der Garage. Gleichgültigkeit? Oder hat sie ein eigenes Auto, das den Platz dort drinnen besetzt? ja. Das glaube ich. Hier draußen kann niemand ohne Auto wohnen. Oder einkaufen. Kann gar nichts. Natürlich kann er sie in einen Turm gesperrt haben, aber das ist unwahrscheinlich. Er gibt sich doch gern als moderner Mann. Ich glaube, sie kauft bei Spar unten in Stranden ein. Das ist der nächstgelegene Supermarkt. Niemals die Gummihandschuhe vergessen. Niemals auf der Festplatte speichern. Immer die Diskette in der Tasche haben.
    Sie steckte den Korken in die Rotweinflasche und ging ins Bett. Für einen Moment wäre sie gern aufgestanden und hätte die Gummihandschuhe wieder angezogen, sich vielleicht mit dieser neuen Distanz erforscht, dieser neuen Hautschicht, aber sie war müde. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte fast drei und war auf halb acht gestellt.
    Sie drehte sich auf die Seite und schob sich die Hand in den Schritt. Vor dem Einschlafen dachte sie, dass sie sich auf das Wiedersehen mit ihm freute. Dass es das pure Vergnügen sein würde, Niels Petter Holand wieder zu sehen.

5
    Sie hatte ihn schon so oft umgebracht. Wieder und wieder hatte sie ihn umgebracht, doch dann war ihr aufgegangen, dass sie ihm das Leben geben musste, dass der Tod keine Strafe bedeutete, keine Sühne, sondern nur Dunkelheit oder etwas anderes, vielleicht etwas Besseres. Sie wollte ihm die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden. Tod oder Leben. Er sollte hier durch die engen Gassen gehen und das Kreuz tragen, das sie für ihn ausgewählt hatte.
    Sie hatte nicht gefrühstückt. Ihr war schlecht von den Zigaretten. Der Rauch hing schwer und grau im Wagen; die tief hängende Wolkendecke trieb durch die Straßen, das Wetter war milder geworden, der feuchte Schnee schmolz. Wenn auf der Straße ein Auto vorüberfuhr, ließen die Reifen Wasser und Matsch gurgeln.
    Sie hatte schon oft so dagesessen. Allein mit den Zigaretten in einem kalten Auto oder in einem warmen Auto, in einem Auto in Regen und Schnee oder bleichen Sommernächten. Sie hatte ihr eigenes inneres Bild des Einfamilienhauses draußen in Asker. Ein Bild der dunkel gebeizten Bretter zwischen den Apfelbäumen. Der Treppe mit den rissigen Platten. Sie hatte gedacht: ich warte auf dich, bis du kommst. Und er kam. Nicht immer, aber oft kam er. Allein oder zusammen mit anderen.
    Er war ein gut aussehender Mann. Er kam allein oder zusammen mit anderen, aber er war der natürliche Mittelpunkt, sogar in der Einsamkeit; er hatte die Ausstrahlung eines jungen starken Raubtieres, das sich selbst genug und anderen eine Freude ist. Er war ein Mann, den eine Frau unter vielen aussuchen würde, und der selbst viele

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