Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
fragte sie leise. »Bist du da?«
Schlagartig war sie wach und riss die Augen auf. Ein matter Lichtschein drang zu ihr. Sie atmete schwer. Da roch sie es. Es war chemisch. Es bedeutete Unheil. Sie drehte den Kopf herum und erschrak. Milan war tatsächlich bei ihr. Er lag neben ihr am Boden, gefesselt wie sie. Aber was war nur mit seinem Gesicht passiert? Das klebrige Zeug war überall.
Es bewegte sich.
Sie fing an zu schreien.
Da wandte auch er den Kopf zu ihr um. Das war nicht mehr sein Gesicht, sondern eine schäumende Fratze. An seinen Lippen erkannte sie, dass er etwas zu ihr sagen wollte, doch die wabernde Masse auf seinem Mund war schon zu fest.
Sie sah, wie er verzweifelt versuchte, mit seiner Zunge durch das Zeug hindurchzustechen. Dabei stieß er schmatzende Geräusche aus. Langsam wanderte ihr Blick zu seinen Augen hinauf. Sie bestanden bloß aus gelblichen Klumpen, verkrustet und starr.
Sie schrie lauter.
Und dann bemerkte sie den anderen Geruch.
Da war noch jemand bei ihr.
Seine Stimme klang tief und gepresst.
»Alles Gute zum Geburtstag, Josephin!«
Trojans Hand zitterte, als er mit dem Vergrößerungsglas ein weiteres Mal das Klassenfoto betrachtete. Neben Josephin vorne links stand ein blondes Mädchen.
Ihr langes Haar war hinter die Ohren gestrichen.
Schon beim ersten Anschauen vor einer Stunde hatte sein Unterbewusstsein flüchtig registriert, dass etwas mit dem Kind nicht stimmte.
Ihm fehlten die Ohrläppchen.
Doch offenkundig hatte es keine weiteren körperlichen Beeinträchtigungen.
Sollte er sich also doch täuschen?
Aber warum lag das Klassenfoto hier offen herum? Hatte das eine Bedeutung?
Und die Ähnlichkeit mit dem Mädchen im Rollstuhl war frappierend.
Er griff zum Handy und rief Landsberg in seinem Büro an.
»Möglicherweise hab ich eine Person ausfindig gemacht, die sowohl mit Karl Junker als auch mit Josephin Maurer Kontakt hatte. Mit etwas Glück könnte das ein Bindeglied sein, das uns endlich weiterführt.«
»Wer ist diese Person?«
»Eine junge Frau, sie müsste jetzt ungefähr in dem gleichen Alter sein wie Josephin. Uns fehlt nur noch der Name.«
Er erklärte ihm kurz die Übereinstimmung auf den beiden Fotos.
»Kannst du den Vater in Kapstadt anrufen und ihn fragen, welche Grundschule seine Tochter besucht hat?«
»In Ordnung. Ich ruf dich gleich zurück.«
Trojan legte auf und musterte das Bücherregal. Er zog einen Aktenordner hervor und blätterte hastig darin. Wer besaß schon noch Unterlagen über seinen Grundschulbesuch, eher bewahrte man doch sein Abi-Zeugnis auf.
Eine Zeugnismappe! Wenn er die nur finden könnte.
Er suchte weiter, aber ohne Erfolg. Also rief er wieder bei Landsberg an.
»Ich kann diesen Maurer nicht erreichen.«
»Verdammte Scheiße.«
»Nils, es ist Samstagnacht, normalerweise –.«
»Seine Tochter ist in Lebensgefahr!«
»Bitte schrei mich nicht an!«
»Entschuldige.« Er holte tief Luft. »Es ist nur die Angst um sie, es ist –.«
»Schon klar, geht mir doch genauso.«
»Weiß er überhaupt von der Verschleppung? Er scheint sich ja nicht sonderlich um seine Tochter zu kümmern.«
»Ich hab’s ihm auf die Mailbox gesprochen. Hoffen wir, dass er sie bald abhört.«
Sie beendeten das Gespräch, und Trojan durchwühlte weiter die Wohnung.
Wen könnten sie noch befragen? Karen Scheffler schied aus und Milan Korch auch.
Was war mit ihrer Mutter? Was hatte Josephin über sie gesagt, sie lebte in einem Ashram? Gab es da überhaupt Telefon?
Was waren das nur für Eltern!
Wieder dachte er an Emily.
Wenn all das hier überstanden wäre, würde er mit ihr verreisen, und wenn er sie dafür von der Schule beurlauben musste!
Aber vermutlich würde seine Suche mit der Entdeckung von zwei Leichnamen enden.
Nein, dachte er, nein!
Mit einer Handbewegung fegte er sämtliche Fotobände und Kunstkataloge aus einem Regalbrett heraus. Einige Bücher waren dahintergerutscht.
Darunter befand sich auch eine blaue Mappe.
Er schlug sie auf. Die Zeugnisse waren ordentlich in Folien abgeheftet, in chronologischer Reihenfolge. »Josephin folgt dem Unterrichtsgeschehen aufmerksam und ruhig«, las er in der allgemeinen Beurteilung.
Er wählte die Nummer vom Kommissariat.
Gerber hob ab.
»Ronnie, du musst ganz dringend für mich die Leitung der Eichendorff-Grundschule in Charlottenburg herausfinden.«
»Gib mit eine Sekunde, ich schau im Internet nach.«
Trojan hörte durchs Telefon, wie er auf der Computertastatur
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