Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
ein.
»27. März 2001.«
»Gibt es noch andere Bilder?«
Wieder nur die beiden Autos und die Miniaturlandschaften. Einmal war auch der Gartenschuppen zu erkennen, der Esstisch vorm Fenster des Hauses im Anschnitt.
Max blickte vom Rechner auf. »Junker liebte seine beiden Autos, seine Bastelarbeiten und schien sich überwiegend in seinen eigenen vier Wänden aufgehalten zu haben. Keine Bilder von Reisen, keine lachenden Menschen, keine Freunde, keine Feste.«
»Nicht einmal eine Frau.«
»Oder auch ein Mann.«
»Nur ein paar Behinderte. Versuch irgendwie herauszufinden, wer diese Kinder sind.«
»Das ist ziemlich schwierig. Friedhelm Junker behauptet, sämtliche Geschäftsunterlagen seines Bruders weggeschmissen zu haben.«
»Verdammte Scheiße.«
»Er sagt, er hat nur den Kram aufgehoben, der ihm wirklich wertvoll erschien, und Karls Computer war wohl reiner Schrott, nur die externe Festplatte war halbwegs neu.«
»Hast du noch andere gelöschte Daten von Karl darauf gefunden?«
»Keine Fotos.«
»Geschäftliches? Irgendeine Adressliste seiner Kunden?«
Er stieß die Luft aus. »Bisher noch nicht. Das braucht unendlich viel Zeit, an diesem einzigen Dateiordner arbeite ich bereits seit Stunden.«
»Schon gut.«
Er ließ sich noch einmal das Bild zeigen, auf dem die Behinderten vor dem Auto zu sehen waren.
»Kannst du das Mädchen vergrößern? Ihr Gesicht?«
Kolpert zoomte es heran.
Trojan wusste selbst nicht genau, was ihn irritierte, aber plötzlich stellten sich seine Nackenhaare auf.
Das Gesicht des Mädchens erschien übergroß auf dem Monitor, Strähnen ihres langen dunkelblonden Haars hatte sie sich auf einer Seite hinters Ohr geschoben, auf der anderen fiel es ihr weich in die Stirn.
Trojan konnte sich seine Unruhe noch immer nicht erklären. Kolpert holte das Bild weiter heran.
Und dann sah er es ganz deutlich: Das Mädchen hatte kein Ohrläppchen.
»Siehst du das?« Er deutete mit dem Finger auf die Stelle.
»Hmm. Ist eine genetische Anomalie, haben etliche Menschen.«
Warum pochte sein Herz wie verrückt? Und warum brach ihm mit einem Mal der Schweiß aus? Da war etwas. Eine Übereinstimmung. Er musste sich konzentrieren.
Und dann sprang er wortlos auf und stürmte aus dem Büro.
FÜNFUNDZWANZIG
J emand berührte sie.
Sie schnappte nach Luft.
War das Milan?
Ja, es waren seine Hände auf ihrem Körper, es versetzte sie in eine glückliche Zeit zurück, in den Frühling letzten Jahres, als sie sich kennengelernt hatten, noch vor diesen schrecklichen Ereignissen. Milan schmiegte sich an sie, sein Haar kitzelte ihre Haut, und sie musste lachen. Wie sanft er zu ihr war.
Kein Grund zurückzuzucken.
Wenn es nur nicht so kalt wäre.
Sie versuchte sich vorzustellen, dass der harte Steinboden unter ihr das Seeufer war, an dem sie damals mit ihm gelegen hatte, der Ort ihres ersten Kusses, der Moment nach dem Baden, sie beide auf ihren Handtüchern, das Funkeln in seinen Augen, die Sonne, die eine Milliarde Diamanten auf die Wasseroberfläche zauberte. So ließ sich die Kälte ertragen.
Schon glitt sie zurück in ihren Traum. Doch kurz darauf wurde sie wieder angefasst.
Milan, dachte sie.
Sie wollte die Hände nach ihm ausstrecken. Es irritierte sie, dass sie sich nicht bewegen ließen, aber auch davor brauchte sie sich nicht zu fürchten, es war ja nur ein Traum. Bald würden sich ihre Fesseln lösen, und sie könnte wieder frei atmen, denn Milan war zu ihr zurückgekehrt, er wollte sie um Verzeihung bitten. Sie würde einwilligen. Alles fand sich zu einem glücklichen Ende.
So einfach erschien ihr das in diesem merkwürdigen Zustand zwischen Wachen und Schlafen.
Doch dann stöhnte sie auf. Ein jäher Schmerz fuhr ihr ins Gesicht, jemand riss das Klebeband von ihrem Mund und von den Augen.
Hatte sie das nicht längst alles hinter sich gelassen?
Nur keine Angst. Sie war in Sicherheit, Milan war bei ihr, und sie würden ihr Wiedersehen feiern.
Mit einem Mal wurde ihr schwindlig. Sie sank tiefer.
Auch das würde vergehen. Sie kannte das, diese Zustände hatten mit ihren Tabletten zu tun. Sie musste sich nur ins Gedächtnis rufen, dass sie sich in ihrem Schlafzimmer befand.
Aber woher kam dieser eisige Luftzug? Sie zitterte. Ob sie wohl das Fenster offen gelassen hatte? Nein, sie verriegelte es doch immer, auch im Hochsommer, sie brauchte die Wärme um sich herum, das Gefühl, von einem schützenden Kokon umgeben zu werden.
Wenn Milan sie doch nur zudecken würde.
»Milan?«,
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