Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
erwischt.«
Sie schwiegen lange Zeit. Er raste über die Stadtautobahn. Es hat alles keinen Sinn mehr, dachte er.
»Was hat er ihr angetan?«, fragte sie leise.
»Er hat sie verschleppt, in einem Wagen. Er scheint das Fahrzeug gewechselt zu haben. Mehr wissen wir nicht.«
Und dann sagte sie: »Hör zu, du bist ein fähiger Kommissar, ich hab schon immer an dich geglaubt. Du schaffst das, Nils, davon bin ich überzeugt.«
»Ach ja?«
»Denk nach, folge deinen Instinkten. Du bist jemand, der seinen Kräften vertrauen kann, wenn es darauf ankommt.«
Ihm wurde schummrig, unwillkürlich presste er die Augen zusammen. Als der Wagen zu schlingern begann, öffnete er sie wieder.
»Scheiße, ich bin verdammt müde.«
»Konzentriere dich! Wo könnte der Täter sie hinverschleppt haben? Versuch dich in seinen kranken Geist hineinzuversetzen.«
Er scherte auf die Überholspur aus und beschleunigte auf zweihundertzwanzig Stundenkilometer.
»Okay, ich will es versuchen.«
»Gut, sehr gut. Nicht aufgeben, Trojan, ich glaube an Sie.«
»Jana. Jana Michels, wann hörst du nur endlich auf, mich zu siezen? Pass auf, ich sag dir was: Wenn das hier vorbei ist, lade ich dich zum Essen ein, bei mir zu Hause, okay? Keine Ausflüchte. Du kommst zu mir, einfach zu mir. Ich bin zwar ein erbärmlicher Koch, aber zur Not können wir uns auch eine Pizza bestellen. Du magst doch Pizza, oder?«
Er vernahm das Klicken in der Leitung. Egal, irgendwie war ihm jetzt wohler. Er steckte das Handy ein.
Seine Finger ertasteten einen Zettel in der Hosentasche. Er nahm ihn heraus. Darauf war eine Adresse notiert.
Er überlegte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann bremste er ab, riss das Steuer herum und nahm die nächste Ausfahrt.
ACHTUNDZWANZIG
D as Seniorenwohnheim lag schräg gegenüber von den Hackeschen Höfen. Er parkte den Wagen halb auf dem Gehsteig, so dass die Tram hinter ihm auf der schmalen Rosenthaler Straße gerade noch vorbeikam. Ihre Warnglocke schrillte laut.
In dem Gebäude begrüßte ihn der Nachtpförtner mit einem verschlafenen Blick. Trojan zückte seinen Dienstausweis und sagte, er müsse dringend mit Gertrude Pranowski sprechen.
»Das ist unmöglich. Die Herrschaften schlafen alle längst.«
Er fegte mit einer Handbewegung die Zeitschrift weg, in der der andere gerade gelesen hatte. »Die Zimmernummer, schnell, ich muss sofort zu ihr, es geht um zwei Menschenleben.«
Der Pförtner sah ihn entsetzt an.
Er brauchte eine Weile, bis er die Information verarbeitet hatte, dann suchte er eine Datei, klickte sie an und gab den Namen Pranowski ein.
»Es ist die 318. Drittes OG.«
»Geben Sie mir am besten gleich den Schlüssel.«
»Das darf ich nicht.«
Trojan packte ihn am Revers und schüttelte ihn. »Das dürfen Sie nicht? Wissen Sie, mit wem Sie es hier zu tun haben?«
Er starrte ihn mit offenem Mund an.
»Wir dürfen die Zweitschlüssel wirklich nur im Notfall rausrücken.«
»Es ist ein Notfall, Sie Idiot!«
»Aber Frau Pranowski wird sich zu Tode erschrecken.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.«
Endlich öffnete der Pförtner einen Tresor und nahm einen Schlüssel vom Haken. Trojan riss ihn ihm aus der Hand und rannte die Treppe hinauf, der Aufzug würde doch nur wieder für eine Verzögerung sorgen.
Im dritten Stockwerk angelangt lief er auf einem roten Teppich durch den Flur, vorbei an künstlichen Topfpflanzen auf Plastiksäulen, kitschige Landschaftsaufnahmen hingen an den Wänden.
Er drückte den Klingelknopf an der Tür mit der Nummer 318 und klopfte gleichzeitig.
»Frau Pranowski«, rief er, »Kriminalpolizei, ich muss dringend mit Ihnen sprechen.«
Als keine Antwort kam, steckte er den Schlüssel ins Schloss und öffnete.
Das Zimmer war hell erleuchtet.
Er hatte Glück, Gertrude Pranowski war noch nicht zu Bett gegangen, sonst hätte er sie vielleicht wirklich zu Tode erschreckt.
Sie war eine zierliche alte Dame mit krummem Rücken, das weiße Haar dauergewellt und mit einer zart violetten Tönung versehen. Sie saß am Tisch vor einem aufgeklappten Laptop, aus dessen Lautsprechern krachende Geräusche drangen.
»Ach, das ist aber eine nette Überraschung«, sagte sie mit hoher Stimme. »Besuch zu später Stunde.«
Trojan trat näher.
Sie blickte ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an.
»Sind Sie ein Nachbar von mir? Im Speisesaal hab ich Sie noch nie gesehen.«
»Danke für das Kompliment.«
Sie lächelte freundlich.
»Trojan, Kriminalpolizei. Entschuldigen Sie, dass
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