Die Quelle
einen einzelnen Busch her. Statthalter Jeremoth ließ sich dadurch nicht schrecken. Er wartete, bis die Babylonier die steilen Hänge unterhalb der Mauern heraufkeuchten. Dann erst gab er Befehl, die auf den Zinnen angehäuften Steine und Felsbrocken auf die Feinde niederprasseln zu lassen. Zahlreiche Babylonier fielen, der Angriff stockte, die Stürmenden mußten sich zurückziehen, ohne irgendwo den Durchbruch erzwungen zu haben. Aber bevor noch Jeremoths Männer neue Steine aufschichten konnten, stürmte schon eine neue Welle von Babyloniern gegen die Mauer, und wieder eine und abermals eine. Doch mit kühlem Kopf warf Jeremoth seine Streiter stets dahin, wo es eine gefährdete Stelle zu schützen galt, und Angriff um Angriff wurde abgeschlagen.
Als der Abend dämmerte, hatte Nebukadnezar erkannt, daß Makor im Sturm nicht zu nehmen war. So gab er den Befehl, die Stadt zur Belagerung einzuschließen, auch vom Wadi her. Gleichzeitig verlangte er zu wissen, woher diese kleine Stadt ihr Wasser bezog. Gefangene aus Akcho sagten aus, ein tiefer Brunnen liege im Innern der Stadt. Grollend befahl der König der Könige: »Schafft die Mauerbrecher herauf!« Noch während der Nacht wurden die mächtigen Belagerungsmaschinen in Stellung gebracht. Aber Jeremoth entdeckte sie rechtzeitig, ließ Stoßtrupps einen Ausfall machen und die Mauerbrecher in Brand stecken. So war Makor auch am Morgen noch immer in Sicherheit.
»Wer führt den Befehl auf der Mauer?« erkundigte sich Nebukadnezar. Als man ihm meldete, es sei ein Kanaaniter, sagte er: »Ihn will ich lebend haben. Denn er ist ein tüchtiger Feldherr. Wir können ihn gegen die Kilikier gebrauchen.« In den Tagen der Belagerung sicherte Jeremoth dem Geschlecht Ur neuen Ruhm, denn dank seiner Entschlossenheit konnte eine Woche lang Babylons Heer zurückgeschlagen werden. Am achten Tag aber wurden all seine Bemühungen durch ein Wunder zunichte: In den Tiefen des Schachtes zerbrach ein Lichtstrahl die Ketten, mit denen die Witwe Gomer gefesselt war, und mit einem leuchtenden Schein um ihr Haupt stieg sie die steinernen Stufen hinauf. Als sie aus dem Schacht trat, sah sie, wie der Lichtstrahl sich dem nördlichen Tor näherte, und dann riß Jahwe dort mit einem gewaltigen Schlag Tor und Mauern nieder. Neun babylonische Krieger, die eben an dieser Stelle gekämpft hatten, warfen sich in die Bresche, zehn andere folgten ihnen, und nun stürzten Hunderte in die Stadt. Makor war verloren. Aber Jeremoth ahnte nicht, was geschehen war. Noch immer verteidigte er seine Stadt an der südlichen Mauer, während Jahwe ihn bereits an der nördlichen geschlagen hatte. Erst als er sich gegen die aus dem Stadtinnern herandrängenden Babylonier verteidigen mußte, erkannte er, daß Makor nicht mehr zu halten war. Unbeirrt kämpfte der Kanaaniter weiter. Das Schwert wurde ihm aus der Hand geschlagen. Nur noch mit seinem hölzernen Befehlsstab konnte er sich wehren, bis er zu Boden gerissen und gefesselt wurde. Da sah er Gomer und das Licht über ihrem Haupt. Mit erstickter Stimme fragte er: »Weib, was hast du uns heute angetan?« Mit einer schrecklichen Stimme kam die Antwort: »Kein Weib war es. Jahwe hat es getan!«
In jener gewaltigen Zeit, da Jahwe um die Seele Seiner Hebräer rang, da Er die Propheten zu Seinen Boten machte, die Kinder Israel und Juda aufzurufen, daß sie sich von den Greueln Baals abwendeten und den Bund mit dem HErrn erneuerten, sprach und handelte Er oft mit einer Härte, die unbegreiflich erscheinen mochte. Weil jedoch die Hebräer ein halsstarriges Volk waren, weil sie an den Schandaltären der Astarte opferten und zu den Tempeldirnen gingen, weil sie lebende Kinder in Melaks feurigen Rachen warfen, mußte Er sie mit furchtbaren Strafen heimsuchen. Warum aber vertilgte Er sie dann nicht auf der Stelle? Weil sie wahrhaft Sein auserwähltes Volk waren, und weil Er sie liebte. Und zu Zeichen dessen gab Er ihnen, als sie sich Seinen Züchtigungen unterworfen hatten, Beweise Seiner ganzen Güte und stand ihnen bei in den Jahren der Finsternis. Denn so unerbittlich hart der HErr sein mußte, so barmherzig war Er auch. Und deshalb sprach jetzt die Stimme aus Gomer so sanft, wie die Witwe einst gesprochen hatte, da der HErr noch nicht über sie gekommen war. Worte des Trostes sprach sie über die geschlagene Stadt Makor - Worte, die von den Versklavten in Babylon noch oft wiederholt werden sollten: »Ihr Meine geliebten Kinder Israel, Ich bringe euch Hoffnung. Wie tief
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