Die Quelle
jüdischen Untertanen wissen läßt, sie seien jetzt frei, ihrem Gott zu dienen, wie sie wollen. Es ist ihnen erlaubt, Synagogen zu bauen. Ihre Priester mögen Opfer bringen. Die einzige Bedingung ist, daß in keiner Weise Zeus beleidigt wird, der oberste Gott der Könige aus dem Geschlecht des Seleukos.« Dieses Gesetz klang nicht nur tolerant; es wurde auch mit Toleranz verwirklicht. Inmitten von Makor, an der alten Stelle, wo der Monolith des El unter Schutt begraben lag, wurde ein schöner kleiner Tempel erbaut, mit sechs dorischen Säulen und einem Giebel, in dessen Feld ruhende Göttinnen dargestellt waren. Im Tempel war eine kleine Büste des Zeus aus Marmor von Paros aufgestellt. Weder der Tempel noch der Gott wirkten aufdringlich. In einem anderen Stadtteil, versteckt an der östlichen Mauer, stand eine ebenso unauffällige, aber nicht so schöne Synagoge. Erbaut aus Lehmziegeln und zugehauenen Balken, war sie sogar eher häßlich. Die Juden, die hier ihren Gott verehrten, lebten während der ersten siebenundzwanzig Jahre der Seleukidenherrschaft in Eintracht mit dem ihnen an Zahl überlegenen Teil der Bürgerschaft, der den griechischen Zeus in seinem Tempel anbetete. Juden wie Nichtjuden befolgten griechische Sitten und Bräuche, sprachen im Alltagsleben die Koine und zahlten mit Münzen, deren Inschrift griechisch war. Sicherlich hatte keiner der Bürger von Makor jemals Griechenland gesehen, alle aber fühlten sich als Griechen, so daß Makor in jeder Hinsicht eine typisch hellenistische Stadt war.
Im Jahre 171 ließ Antiochos IV. ein neues Gesetz verkünden, das scheinbar nur eine kleine Veränderung im religiösen Leben seines Herrschaftsbereiches bedeutete. Wären die führenden Männer der Juden von Makor vorausschauend genug gewesen, so hätten sie jetzt erkennen müssen, daß den Juden außerordentliche Schwierigkeiten bevorstanden. Sie waren es leider nicht. Das neue Gesetz lautete eindeutig: »Hinfort müssen alle Bürger von Makor anerkennen, daß Gott Zeus in der Gestalt unseres göttlichen Königs Antiochos Epiphanes auf die Erde herniedergestiegen ist.« Gewiß - anfangs erschien den Juden die Vorstellung eines Gottkönigs erschreckend. Aber die Beamten der Stadt versicherten ihnen, die neue Anweisung werde sie in keiner Weise betreffen. Einige Zeit später wurde, nachdem die kleine Zeusbüste beiseitegerückt worden war, eine riesenhaft große Büste des Zeus im Tempel aufgestellt. Danach berief man alle Bürger auf den Platz vor dem Tempel, wo ein Beamter eine Ausführungsbestimmung zum Gesetz verlas: »Alle, die den Tempel des Zeus betreten, müssen dem König, unserem Herrn, huldigen und ihn als den Olympischen Zeus anerkennen, der in sterblicher Hülle unter uns erschienen ist.« Die Bürger, die sich die Hälse verrenkten, um das mächtige Haupt zu sehen, waren sich darin einig, daß Antiochos in der Tat wie Zeus aussah, göttlich die Locken und milde die Züge. »Juden, die in ihrer Synagoge beten wollen, werden von diesem Gesetz nicht betroffen«, fuhr der Lesende
fort, »denn unser großer König hat nicht den Wunsch, irgend jemanden zu kränken, solange seine Gottheit anerkannt wird.« Die Juden brauchten also den König Antiochos nicht anzubeten. Deshalb gingen nicht wenige von ihnen aus reiner Neugier in den Tempel, wo sie zuerst etwas betreten vor dem »geschnitzten Bildwerk« standen, das vom Gesetz des Mose ausdrücklich verboten war, dann aber vor Antiochos als ihrem König die Knie beugten und in sich hineinlächelten über Antiochos, der sich einen Gott dünkte. Den Beinamen Epiphanes fanden sie sogar äußerst hoffartig: »Der
Erleuchtete«, oder gar, je nachdem, wie man das Wort deutete, »Der Offenbarte«. Sie waren eigentlich erstaunt, daß ihre griechischen Herren einen solchen Aberwitz glaubten. Den Juden jedenfalls bedeutete die Büste nichts weiter als ein alltägliches steinernes Bildwerk eines alltäglichen Menschen -einen Gott vermochten sie in dieser Büste nicht zu erblicken. Also verneigten sie sich, bissen sich auf die Zunge, um ihre Verachtung nicht merken zu lassen, und gingen zufrieden in ihre Synagoge zurück, wo es ihnen ja frei stand, den wahren Gott, den unnennbaren JHWH, zu verehren.
Im Jahre 170 wurde abermals ein Gesetz erlassen: Alle Bürger hätten viermal im Jahr dem Antiochos Epiphanes als dem obersten Gott des Seleukidenreiches in aller Form zu huldigen. Der jeweils dafür vorgesehene Tag war ausgerechnet der Sabbat - der Tag, an dem
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