Die Quelle
auch die Kerker sind, wenn ihr die Schöpfräder tretet, Ich werde bei euch sein. Meine Liebe wird euch auf immer beschützen, und nach der Knechtschaft sollen euch von neuem die Äcker grünen. Die Welt soll euer sein in all ihrer Schönheit, denn wenn ihr Meine Strafe auf euch nehmt, so nehmt auch Mein Erbarmen. Ich bin der Ich bin, und für immer bin Ich bei euch.« Jetzt begannen die Babylonier, die Hebräer für den weiten Weg in die Sklaverei zusammenzutreiben. Gomer aber war es auferlegt, zu all den Gefangenen hinzutreten und sie zu trösten: »Denkt an Jahwe in eurer Trauer! Denn Ich, spricht der HErr, bin ein Quell kühlen Wassers. Werde Ich euch denn jetzt vergessen, da eure Not am größten ist?« Und als die Hebräer sich verwunderten, warum ihnen denn wohl im Augenblick der Strafe diese Botschaft der Liebe verkündet werde, sagte Gomer so sanft, wie des Abends die Mutter ihrem Kinde vorsingt, wenn der Vater noch auf den Feldern arbeiten muß: »Die Kanaaniter und die Babylonier sollen untergehen, ihr aber sollt bleiben, denn durch die Bitternis Meiner Strafen sollt ihr gestärkt werden.«
Und Gomer kam zu einer Gruppe, in der ihr Sohn in Ketten gefesselt stand. Zu ihm sagte sie: »Gedenke Jerusalems, o gedenke immerdar der Stadt auf dem Hügel. Sprich von ihr in den Zelten und singe ihr Lob in der Finsternis. Gedenke Jerusalems, denn du bist ein Volk, dem befohlen ist, zu gedenken. Wenn dein Odem matt wird und dein Herz schwach, und wenn der Tod zu dir tritt im fremden Land, so gedenke Jerusalems, der Stadt deines Erbes.«
Mikal sah ihren Mann unter den Gefangenen stehen. Ihren Sohn Ischbaal auf dem Arm, lief sie zu ihm, um ihm aus Liebe freiwillig in die Sklaverei zu folgen. Auch andere kanaanitische Frauen von Hebräern erboten sich, mit ihren Männern zu gehen. Aber Gomer jagte sie fort und schrie: »Die Huren Kanaans werden in Babylon nicht gebraucht. Alle falschen Weiber müssen zurückbleiben.« Als sie aber zu Mikal kam, die dastand in dem weißen Kleid, das sie selbst ihr genäht hatte, vermochte sie kein Wort hervorzubringen, denn die Zunge klebte ihr am Gaumen, und mit Tränen der Liebe blickte sie auf die treue Frau ihres Sohnes, die mit ihr auf den Feldern gearbeitet hatte. Stumm wollte sie von dannen gehen. Doch die Macht des HErrn kam über sie und zwang sie, stehenzubleiben und zu sagen: »Das Hurenweib Kanaans, das im Tempel der Astarte gebärt, das seinem Sohn den Namen Ischbaal gegeben hat, sie ist verstoßen!« Mikal stand wie erstarrt, während ihre Schwiegermutter kreischte: »Geh! Geh fort! Bleib nicht bei ihm, denn er ist dein Mann nicht mehr. Hinweg mit dir!« Und mit mächtigem Griff stieß sie die weinende junge Frau beiseite, so daß sie stürzte. Ihr Oheim half ihr auf und führte sie zu den Ihren, die unter den zuschauenden Kanaanitern standen.
Als Rimmon seine Ketten aufhob und seiner Frau folgen wollte, verstellte seine Mutter ihm den Weg und sagte mit jener Stimme, die nicht die ihre war: »All dies tue Ich nicht aus Haß, sondern aus Liebe. Andere Völker sollen untergehen, Israel aber wird bestehen. Denn in der Gefangenschaft sollt ihr zusammenhalten, und jeder soll dem andern treu sein, und alle sollen Jerusalems gedenken.« Damit verließ Gomer ihren Sohn und ging dorthin, wo jene standen, die aus priesterlichem Geschlecht stammten. Sie suchte, bis sie das Mädchen Geula fand, die ebenfalls in Ketten geschlagen war. Mit gewaltiger Kraft brach sie die Ketten entzwei und führte Geula zu ihrem Sohn. Die Hände der beiden ineinanderlegend, verkündete sie: »Rimmon, Sohn der Gomer, du bist geschieden. An diesem Tage bist du geschieden. Und in Gegenwart von dreien bist du mit Geula getraut. Ihr seid aus den Kindern Israel, und vergessen sollen sein die früheren Kinder Kanaans, die geborenen und die ungeborenen. Denn nur ihr seid das Volk, das Ich erwählt habe!«
». das Ich erwählt habe!« Die Babylonier, die das hörten, lachten. Diese Sklaven in Ketten, diese Letzten einer ehedem stolzen Stadt! Sie - die Erwählten! Laut lachten die Krieger Babylons, und bald schon hörte man auch die Kanaaniter höhnen. Doch Gomer, entflammt im Zorn des HErrn, zerwühlt das Haar, glühend die Augen, trat vor Nebukadnezar, und in der Stunde seines Sieges deutete sie, Arm und Finger gereckt, auf ihn, während sie mit klagender Stimme rief: »Wie kurz wird dein Stolz währen, König der Könige, wie kurz dein Verbleib auf dem Gipfel! Schon sammeln die Perser sich an deinen Grenzen,
Weitere Kostenlose Bücher