Die Rache der Kinder
heim.
Michael nippte an seinem Kaffee. »Hast du schon etwas wegen des Panikknopfes unternommen?«
»Ich habe ihn letzte Woche installieren lassen.« Kate griff nach seiner Hand. »Du und Mom, ihr müsst aufhören, euch ständig Sorgen um uns zu machen.«
»Nicht ständig«, erwiderte ihr Vater.
Kate betrachtete ihn einen Moment lang. »Du hast doch noch etwas auf dem Herzen, nicht wahr, Dad?«
»Es geht um Marie …« Er holte tief Luft. »Sie ist ausgegangen, nicht wahr?«
Kate nickte. »Sie ist zu irgendeinem Meeting.«
»Du weißt, wie dankbar wir sind, dass sie dich und Bobbi gerettet hat, aber …«
»Aber?«
»Aber davor«, fuhr Michael fort, »hatten deine Mutter und ich den Eindruck, dass du sie nicht mehr bei dir haben wolltest.«
»Das war damals«, erwiderte Kate. »Die Schwangerschaft hatte mich reizbar gemacht. Jetzt hat sich alles geändert.« Sie lächelte. »Außerdem ist es angenehm, jemanden um sich zu haben.«
»Du könntest ein Kindermädchen einstellen«, sagte Michael.
»Ich will nicht, dass jemand anders sich um Bobbi kümmert.«
»Oder nimm dir einen Untermieter.« Michael blieb hartnäckig.
»Ich habe eine Untermieterin«, entgegnete Kate, »die immer wieder darauf besteht, Miete zu zahlen, und die sich als eine der besten Freundinnen erweist, die ich je gehabt habe.«
100. Ralphs Kinder
In der zweiten Maiwoche trafen sie sich in der Wayland’s Smithy.
Nur sie drei.
Es war böig, aber mild und trocken, und der Ort voller Erinnerungen.
Geister.
»Ich habe Champagner mitgebracht«, sagte Roger.
»Schön«, sagte Piggy.
»Ja, nett«, sagte Jack.
Roger holte die Flasche und drei Plastikbecher aus einer Kühltasche.
»Danke«, sagte Piggy, »obwohl ich noch immer ein schlechtes Gewissen habe, weil wir den Häuptling einfach so ausschließen.«
»Ich dachte, bei mir wäre das genauso«, bemerkte Jack, »ist es aber nicht.«
»Seien wir mal ehrlich«, sagte Roger. »Wenn wir untergegangen wären, wäre es ihre Schuld gewesen.«
»Von Anfang an«, pflichtete Jack ihr bei.
»Ich weiß nicht …«, sagte Piggy.
»Du verdammter Softie«, spöttelte Jack.
»Ich kann nun mal nicht anders«, erwiderte Piggy.
Roger öffnete die Flasche und schenkte aus, ohne einen einzigen Tropfen zu verschütten.
»Jetzt wäre ein Toast angebracht«, sagte sie. »Auf die Freiheit!«
»Und auf Simon!«, fügte Piggy hinzu.
»Auf Simon!«, echote Jack.
Sie leerten ihre Becher in einem Zug.
»Ohne den Plan des Häuptlings«, räumte Piggy ein, »wäre sie noch immer hier.«
»Da hast du’s«, sagte Jack, als Roger nachschenkte. »Also – kein schlechtes Gewissen mehr wegen ihr, einverstanden?«
»Einverstanden«, antwortete Piggy.
»Okay«, sagte Roger. »Wie lange noch, bis wir wieder spielen können?«
»Ich weiß nicht, wie das ohne den Häuptling gehen soll«, sagte Piggy.
»Es wird nicht ohne den Häuptling stattfinden«, erklärte Roger. »Oder hast du das schon vergessen?«
»Du meinst wie in dem Buch«, sagte Piggy.
In Herr der Fliegen hatte Jack die Macht an sich gerissen, in-dem er Ralph als Anführer der Kinder stürzte.
»Genau«, bestätigte Roger.
»Ich denke, wir sollten vorsichtig sein und ein bisschen warten«, bemerkte Jack.
»Du hast recht«, sagte Roger.
Also tranken sie vorläufig nur zusammen.
101. Kate
An einem warmen, sonnigen Nachmittag Ende Juni saß Kate in der Küche und schaute in den Garten zu Marie, die in ihrem Rollstuhl neben dem Laufstall saß, in dem Bobbi auf einer Decke lag und mit den Beinchen strampelte.
Kate war beinahe zufrieden.
Sie vermisste Rob noch immer jeden Tag, doch ihre Tochter war gesund.
Der erste Entwurf ihrer Biografie von Claude Duval war geschrieben, und ihr Agent in London hatte sie wissen lassen, dass ein Verlag bereits interessiert sei.
Bel ging mit einem Landschaftsgärtner aus, einem Mann mit Namen David Miles, den alle zu mögen schienen. Aufjeden Fall schien ihre Mutter so glücklich zu sein wie schon seit Jahren nicht mehr.
Michael und Delia wollten heiraten. Kate hatte sich nie vorstellen können, dass sie sich darüber freuen würde, doch genau das war jetzt der Fall, und sie glaubte, wenn Rob hier wäre, wäre er stolz auf sie.
Offenbar war man nie zu alt, um noch dazuzulernen.
Daran war wohl auch Bobbi schuld.
Kate schaute wieder zu Marie hinaus, ihrer sensiblen, immer grauer werdenden guten Freundin. Sie fragte sich, ob je die Zeit kommen würde, da sie Marie verlassen wollte – und wie sie sich
Weitere Kostenlose Bücher