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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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1. Das Spiel
    Am Abend des zehnten Oktober versammelten sie sich in einem Schlafzimmer über dem Black Rooster Pub. Die Frau, die im Spiel als »Ralph« bekannt war, wandte sich über die Freisprechanlage auf dem Nachttisch an die anderen.
    »Diesmal«, sagte sie, »werden wir töten.«
    Draußen fiel der Regen aus der Dunkelheit auf die Straßen und die umliegende Landschaft Berkshires. Es war ein langweiliger, monotoner, trister Regen ohne jeglichen Wind, der ihm eine dramatische Note hätte verleihen können. Es war die Art von Wetter, bei dem man am liebsten zuhause war, die Vorhänge zuzog und es sich gemütlich machte.
    Doch das Zimmer, in dem sie saßen, war alles andere als gemütlich: düster, spärlich eingerichtet und viel zu klein, um vier Erwachsenen gleichzeitig eine angenehme Unterkunft zu geben.
    Aber die Gruppe hatte sich im Laufe der Jahre schon an viel schlimmeren Orten zusammengefunden. An die Art des Treffpunkts dachten sie immer zuletzt.
    Alle waren gekommen. Das war eine der Regeln: Jedes Mitglied musste anwesend sein, wenn ein Spielplantreffen einberufen wurde – jedes Mitglied mit Ausnahme von Ralph: Sie rief die Gruppe zusammen, war aber nie mehr selbst dabei.Dennoch war Ralph nach wie vor die Anführerin, wie sie es immer schon gewesen war.
    Früher, in den alten Zeiten, hatten sie ihre Treffen in der Grabkammer von Wayland’s Smithy abgehalten, aber das war vorbei. Es war zu riskant.
    Damals hatten sie sich sehr oft getroffen, doch im Laufe der letzten zehn Jahre waren ihre Zusammenkünfte immer seltener geworden, aber auch viel intensiver.
    Es waren die Highlights in ihrer aller Leben.
    Aber nicht so wichtig, nicht so etwas Besonderes wie die Spiele selbst.
    »Wir haben auch früher schon getötet«, sagte der Mann, der im Spiel Piggy genannt wurde.
    Er schauderte, als er zurückdachte, obwohl es natürlich nicht seine eigene Erinnerung war.
    Trotzdem nahm es ihn so sehr mit, als wäre er selbst dabei gewesen: Bilder und Geräusche des erstickenden Mitcham in jener Nacht im August, als das zerrissene Gefängnislaken ihn ins Jenseits befördert hatte, suchten ihn regelmäßig in seinen Träumen heim.
    »Wir hatten keine andere Wahl«, erinnerte ihn Ralph.
    »Und es waren auch nicht wirklich wir «, bemerkte die Frau, die Simon genannt wurde.
    »Es sind immer wir «, widersprach Ralph. »Wir alle tragen die Verantwortung. Das weißt du.«
    »Du bist immer noch ein Weichei, Simon«, sagte der Mann mit Namen Jack.
    »Wenn ich mich recht entsinne, haben wir alle es gehasst«, sagte Ralph.
    »Nicht alle.« Die Frau, die im Spiel Roger genannt wurde, meldete sich zum ersten Mal zu Wort.
    »Ich hatte vor Angst die Hose voll«, sagte Piggy.
    »So ist es bei dir doch immer«, entgegnete Jack.
    »Er war nicht der Einzige«, sagte Simon und sprang Piggy damit zur Seite.
    »Könnten wir jetzt wohl weitermachen?«, rief Ralph die anderen zur Ordnung.
    Sie verstummten.
    Erregung erfasste sie, wie jedes Mal.
    »Diesmal wird es einen weiteren Unterschied geben«, verkündete Ralph. »Das heißt, wenn ihr einverstanden seid.«
    Das winzige Zimmer über dem Pub in der Nähe von Childrey war von Ralph für sie reserviert worden. Allerdings würde nur Simon über Nacht bleiben, und das auch nur, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Wie alle anderen hätte auch sie genauso gut nach Hause gehen können.
    Jack hatte die Freisprechanlage diesen Nachmittag im Carphone Warehouse in Didcot gekauft, hatte die Anschlüsse des alten Telefons und der Nachttischlampe aus der Steckdose in der verdreckten Wand gezogen und das Gerät angeschlossen, um für den Anruf gewappnet zu sein.
    Nun schwiegen sie. Ihre Herzen schlugen schneller, und ihre Münder waren vor Erwartung ausgetrocknet.
    Sie warteten darauf, dass Ralph ihnen vom nächsten Spiel erzählte und ihnen sagte, was dabei so anders sein würde.

2. Kate
    »Zum letzten Mal, Rob – warum verpisst du dich nicht einfach und lässt mich allein?«
    Kate Turners Abschiedsworte, vergangenen Dienstag an ihren getrennt lebenden Ehemann gerichtet – nach dem »freundschaftlichen« Drink am Kamin des Shoulder of Mutton –, waren bitter gewesen. Zwar hatte Kate die Worte bereut, kaum dass sie ausgesprochen waren, doch es war zu spät gewesen. Rob hatte sich verpisst, und Kate war weinend auf ihrem Stuhl sitzen geblieben.
    Das war dumm!, tadelte sie sich am Donnerstag noch immer.
    Warum hatte sie das getan?
    Vielleicht hätte es ihr nicht so viel ausgemacht, wäre

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