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Die Rache der Zwerge

Die Rache der Zwerge

Titel: Die Rache der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Sattel, packte den überraschten Zwerg am Kragen des Lederwamses unter dem Kettenhemd und zerrte ihn auf den Boden. Rücksichtslos schleifte er ihn bis zur Kante eines steil abfallenden Hanges. »Du willst wirklich sterben?« Wütend entriss er ihm die Branntweinflasche und schleuderte sie in die Tiefe. Nach langem Sturz zerschellte sie auf dem Grund und hinterließ einen dunklen Fleck auf dem Gestein. »Dann folge ihr!«, polterte er düster. »Mach deinem jämmerlichen Leben ein Ende. Gleich und auf der Stelle, aber hör auf, dich selbst zu bemitleiden. Die niedrigste Kreatur besitzt mehr Würde als du!« Tungdil schaffte es nicht, sich aus dem stahlharten Griff Boindils zu befreien. Unbarmherzig drückte der Zwilling ihn mit dem Gesicht nach unten über den Hang.
Ein warmer Wind wehte von unten hinauf und streichelte sein Gesicht, als wollte er ihn locken und ihn auffordern zu springen.
»Was ist, Gelehrter?«, tobte Ingrimmsch weiter. »Du willst sterben, hast du gesagt! Dann lass los!« Er nahm ihn am Kettenhemd und riss mit seinen ungeheueren Kräften daran.
Irgendwo in Tungdils Innerem regte sich Widerstand. Es war ein unbestimmter Widerstand, ohne Grund, ohne gegebenen Anlass. Es gab nichts, für das er noch leben wollte, und dennoch weigerte sich etwas in ihm, in die Ewige Schmiede einzuziehen. Falls es dort überhaupt einen Platz für ihn geben sollte. Er krallte sich mit den Fingern in das karge Gras, schürfte sich die Kuppen am Stein auf. Der Schmerz verdrängte die benebelnde Wirkung des Alkohols.
»LASS LOS!«, brüllte ihm Boindil aus Leibeskräften ins Ohr. »Ich mache es einfach für dich und erspare dir, weiter Geld in Schnaps und Bier zu stecken.« Er trat ihm wuchtig in die Seite.
Tungdil krümmte sich und verlor den Halt. Sein Oberkörper hing beinahe vollständig über die Kante. »Nein, nein!«, rief er verzweifelt. »Du ...«
»Ich werde sagen, du hättest mein Leben gegen eine Übermacht von Wegelagerern verteidigt«, redete Ingrimmsch dessen ungeachtet weiter. »Sie werden dich als Helden in Erinnerung behalten, der rechtzeitig starb, bevor er den letzten Rest seiner Achtung verlor.«
Wieder traf Tungdil der Schuh in die Rippen. Aufschreiend rutschte er noch ein Stück nach vorn. Steinchen rollten hinab, ließen Staubwölkchen am Hang entstehen.
»NEIN!« Die letzten Kräfte aufbietend, drückte sich Tungdil vom Boden ab und verlagerte das Gewicht dabei nach hinten. Mit einem lauten Schrei warf er sich rückwärts, riss Boindil mit, und gemeinsam fielen sie zurück auf sicheren Boden. »Ich ... habe es mir ... überlegt«, hechelte er.
»Ach?« Ingrimmsch richtete sich auf. »Und woher dieser plötzliche Sinneswandel?«
Tungdil atmete tief ein. »Ich kann es dir nicht sagen. Eine innere Stimme stemmt sich dagegen.« »Eine innere Stimme namens Furcht?«
Tungdil zuckte mit den Achseln. »Nein. Nein, es war etwas anderes.« Er horchte in sich hinein, als käme von dort eine Antwort. »Das Leben, nehme ich an.«
»Die Stimme von Vraccas«, erwiderte Boindil, stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Er wird dich und deine Feuerklinge noch brauchen. Deinem Volk steht ein neuer Feind gegenüber. Vielleicht ist es deine Bestimmung, ihn zu besiegen.«
Tungdil ließ sich von ihm aufhelfen, dann ging er zur Kante des Abhangs und blickte hinab. Es bedurfte lediglich eines kleinen Schrittes, und er wäre alle Sorgen los. Er hob den Fuß ... und wieder spürte er die innere Sperre.
»Doch noch Todessehnsucht?«, brummte sein Freund.
»Nein«, antwortete Tungdil nachdenklich. »Ich wollte sicher gehen, dass ich wirklich leben möchte.« Er wandte sich vom Hang ab.
Ingrimmsch hielt ihm die Zügel des Ponys hin, Tungdil nahm sie. »Das willst du. Ich hätte dich hinabgestoßen, wenn du dich nicht mit all deinen Kräften aufgebäumt hättest«, sprach er ernst. »Es ist der einzige Weg herauszufinden, ob man leben möchte oder nicht.« Ein schiefes Lächeln entstand auf seinem Gesicht. »Glaub mir, ich habe die gleiche Kur erhalten wie du.«
»Du warst verzweifelt wegen des Todes von Boendal«, verstand Tungdil und sah zu, wie sich der Krieger in den Sattel schwang.
»Eine Hälfte von mir ist mit seinem Tod gegangen. Mag sein, dass es die bessere Hälfte war. Die andere versank in dumpfem Brüten, Heulen und Trauern, bis ich dachte, ich wollte sterben. Jemand gab mir die gleiche Behandlung wie ich dir, und ich erkannte, dass ich lieber bei den Lebenden weilen möchte. Vraccas wird wissen, wozu es gut

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