Die Rache der Zwerge
dem Traum. Diese hier war weitaus schrecklicher.
Sie bestand aus Tionium, vollkommen aus schwarzem Tionium! Arme und Beine waren zwei Schritt lang, der Rumpf nicht weniger hoch und so dick wie drei Bierfässer. In dem stierähnlichen Dämonenkopf aus Metall glommen zwei rote Augen, weißer und dunkler Dampf quoll aus dem Visier.
Ein Geflecht aus unleserlichen Symbolen überzog die Konstruktion; sie leuchteten fahlgrün und schienen zu lauern, um im nächsten Augenblick erstrahlen zu dürfen. Ringsum standen schimmernde Klingen und giftfeuchte Dornen hervor. Das Blut der getöteten Soldaten haftete beinahe überall an dem künstlichen Wesen, Ortger erkannte Haarbüschel und Kleidungsfetzen, die an den Spitzen hingen.
Meinart packte Ortgers Arm. »Palandiell beschütze uns! Seht nur, ist das da, neben dem Hals, nicht eine Elbenrune?«
Ortgers Augen waren nicht in der Lage, die angegebene Stelle zu finden. Sein Blick huschte voller Angst über die Kreatur, und sein Verstand weigerte sich, das Grauen zu erfassen.
Wann immer das Wesen ein Gliedmaß bewegte, zischte es, und irgendwo aus dem Innern der überlebensgroßen, schwarzen Rüstung erklang mechanisches Klicken und Rattern. Eine einzige Metallklaue konnte spielend die Köpfe von drei Männern gleichzeitig umschließen. Unterhalb des Halses war ein rundes Fenster mit dickem Glas eingelassen, durch das ein furchtbares und zugleich anziehendes Gesicht blickte und die Reißzähne fletschte. Für Ortger reichte dieser Anblick aus. Seine bebenden Finger öffneten sich von selbst, das Schwert fiel ihm aus der Hand; klirrend prallte es auf den Stein und rutschte die Treppe hinab. »Weg von hier«, stammelte er und wandte sich zum Rückzug.
Die Runen leuchteten plötzlich auf. Seitlich taten sich fünf waagerecht nebeneinander liegende Löcher auf, die gefährlich nach Mündungen aussahen.
Dampf schoss fauchend aus den Öffnungen, und die Soldaten rund um Ortger fielen schreiend zu Boden; er selbst spürte nur einen Luftzug an seinem linken Ohr. Aus den Körpern der Getroffenen ragten die gefiederten Enden von eisenverstärkten Armbrustbolzen. Die vorderen Gardisten waren durchschlagen worden, und die Geschosse hatten die Reihen dahinter sogar noch verletzt. Zu den Toten zählte auch Hauptmann Meinart. Nun gab es kein Halten mehr.
Die Soldaten stürzten in heilloser Flucht die Treppe hinauf, Ortger rannte vorweg und beschmutzte sich vor Furcht die Hose mit seinem eigenen Urin.
Ein erfahrener Krieger hätte sicherlich befohlen, die Wehrgänge rund um den Hof zu besetzen, die Zinnen abzureißen und der Kreatur mit den Steinbrocken zuzusetzen. Aber der junge König besaß diese Abgebrühtheit nicht. Nicht nach diesem Traum, nicht nach diesem Anblick.
Allzu gern ließ er sich von den Gardisten eiligst zu den Pferden führen und flüchtete mit ihnen aus Dreigipfelburg, um sein Leben in Sicherheit zu bringen. Von seiner Kampflust, die er auf dem Pass an den Tag gelegt hatte, war angesichts der Kreatur nichts mehr geblieben. Erst in sicherem Abstand hielt sein Tross an, und Ortger sandte zwei Späher zurück in die Stadt, um zu erkunden, was weiterhin geschehen war. Sie kehrten mit vernichtenden Meldungen wieder.
»Der Diamant ist verloren, Hoheit«, bestätigte der eine, was alle bereits zu wissen geglaubt hatten. »Diese Kreatur hat die Tür zerschlagen und nichts mitgenommen außer dem Stein. Eure Kronjuwelen sind...« Ortger winkte ab und sah den zweiten Mann an. »Es gibt verschiedene Meldungen zum Verbleib des Angreifers«, berichtete dieser. »Die einen sagen, dass er durch die Straßen der Stadt in die Berge gelaufen wäre, die anderen, dass er sich in Luft aufgelöst hätte, Hoheit. Die Brände im Palast sind gelöscht, und die Verletzten werden versorgt.«
Dem König stieg der Geruch des eigenen, trocknenden Urins in die Nase und erinnerte ihn an die Schmach und seine allzu menschliche, durchaus verständliche Feigheit. Der Angreifer sah nicht wie dieses Ding aus, das Mallen in seinem Brief beschrieben hatte. Bis auf zwei Dinge. Ortger rief sich das schreckliche Gesicht hinter dem dicken Glas in Erinnerung, und er wusste das Leuchten der Zeichen auf der Rüstung zu deuten: Magie. »Wir ziehen weiter nach Porista«, entschied er. »Die Nachricht über den Raub eines weiteren Steines muss den anderen Herrschern mitgeteilt werden. Die verbliebenen Diamanten müssen noch besser beschützt werden.« Er ließ das Pferd antraben. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wie es
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