Die Rache der Zwerge
sehen konnte. Wieder flammte ein gleißendes Funkeln auf, das dieses Mal viel zu hell war, um auf einem Helm oder Schild gespiegeltes Licht zu sein; gleich darauf stieg Rauch aus dem Palast auf.
»Zurück!« Der König deutete zur Dreigipfelburg. »Ein Überfall! Sie haben es auf unseren Diamanten abgesehen. Wir stoßen in den Rücken des Gegners und überrumpeln ihn.«
»Hoheit, ist es weise zurückzukehren, während der Angriff läuft?«, warf Meinart ein. »Erinnert Euch an die Botschaft von Prinz Mallen. Wenn Magie im Spiel ist, solltet Ihr dem Kampf fern bleiben. Sendet einen Boten aus, der Euch über die ...
Ortger wäre zu gern auf den Vorschlag eingegangen, doch er erlaubte sich keine Schwäche. Im Traum hatte die Kreatur ihn gejagt. Es wurde Zeit, dass er den Spieß umdrehte. »Es ist lediglich eine Kreatur, Meinart. In Güldengarb hat sie die Männer mit ihrem Auftauchen überrascht, meine Soldaten sind auf sie vorbereitet. Wir vernichten sie.« Ortger stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken und preschte den Weg zurück, den sie gekommen waren.
In der Stadt herrschte helle Aufregung. Die Bewohner rannten auf den Straßen umher und zeigten immer wieder zum Palast, aus dessen Fenstern Qualm stieg. Manche bewaffneten sich mit Eimern, um beim Löschen zu Hilfe zu eilen, andere trugen Schwerter und Speere, um den Soldaten beizustehen. Die Kunde vom Überfall hatte sich rasch verbreitet.
Mit Ortger an der Spitze, galoppierte die Garde durch das zerstörte Haupttor in den Innenhof. Das herabgelassene Eisengatter war geschmolzen und zerdrückt, als hätten die glühenden Finger eines Riesen damit gespielt. Im Hof lagen abgerissene, verbrannte Körperteile neben verkohlten Speerschäften und zerronnenen Schwertern. Hier und da waren schwarze Stellen auf den Pflastersteinen zu sehen, die leise knisterten und unter unvorstellbarer Hitze leise klirrend barsten.
»Ich bekomme Zweifel, ob meine Schutzmaßnahmen ausreichen«, sagte Ortger entsetzt zu Meinart und konnte die Augen nicht von den blutigen Leichenteilen abwenden. Bei Sonnenaufgang hatte er sich noch mit einigen seiner Untergebenen unterhalten und gelacht. Jetzt war nichts mehr von ihnen geblieben als geschundene Kadaver. Ortger würgte, zitterte. Was immer die Menschen getötet hatte, besaß Kräfte, wie sie lange nicht mehr im Geborgenen Land zu spüren gewesen waren. Wie er sie noch niemals zu spüren bekommen hatte. Sie folgten der Spur der Verwüstung, liefen durch den in Mitleidenschaft gezogenen Haupttrakt, in dem an verschiedenen Stellen Feuer ausgebrochen war. Achtlos rannten sie an den stöhnenden Verletzten vorüber zu der Treppe in den Keller. Der Schutz des Diamanten hatte Vorrang.
Als die Truppe die letzten Stufen zum Vorraum der Schatzkammer hinabstieg, hörten sie ein lautes Zischen und sahen flackernden Lichterschein über die Wände und die Treppe huschen. Begleitet wurde das Schauspiel von einem bestialischen Brüllen und menschlichen Todesschreien. Eine beißende Rauchwolke schlug ihnen entgegen, von der selbst der Einfallsloseste unter den Gardisten ahnte, was in der Kammer in Flammen aufgegangen war.
Ortger blieb stehen. Das Zittern hatte sich verstärkt; sein Körper weigerte sich, noch eine Bewegung zu machen und sich dahin zu begeben, wo schrecklicher Tod hauste und sich nahm, was er wollte. Auch wenn sein Geist genau wusste, welchen Wert und welche Macht der verwahrte Diamant besaß: Nichts hätte den jungen König jetzt noch dazu gebracht, ihn zu verteidigen. Die Gestalt aus seinem Traum war wirklich zu ihm gekommen. Es krachte laut. Rumpelnd zerbarst das Gestein, abgesplitterte Bröckchen sprangen gegen die Treppenwände und hüpften dem König vor die Füße. Gleich darauf brandete ein siegessicheres Lachen zu ihnen, Eisen klirrte, und zwei abgeschlagene Köpfe rollten bis zur ersten Stufe.
»Es hat die Tür zur Schatzkammer zerschlagen. Palandiell steh uns bei!«, flüsterte Ortger angsterfüllt und machte einen Schritt rückwärts. »Der Stein ... ist verloren.«
Ein dumpfes Krachen näherte sich der Treppe, es wiederholte sich in regelmäßigen Abständen wie die Schrittfolge eines Giganten. Ein langer, breiter Schatten wurde von den Feuern auf den Boden geworfen und kam auf sie zu. Er wuchs, griff auf die Schatten der Männer über und verschluckte sie. Die Kreatur, die den monströsen Umriss auf den Stein warf, folgte, sie lief vornübergebeugt, weil sie aufrecht nicht in den Gang passte.
Aber es war nicht die Kreatur aus
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