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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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– und ob er es sein würde, der das Schicksal ihres Klans erfüllte. In den darauffolgenden Jahren hütete er das Geheimnis wie seinen Augapfel und wartete auf ein Zeichen zum Handeln.
    Wie konnte Matsui es wagen, auch nur daran zu denken, daß er, Chūgo, dem sōsakan das Familiengeheimnis anvertraut hatte?
    »Natürlich habe ich es ihm nicht erzählt«, sagte Chūgo mit scharfer Stimme.
    »Gut.« Matsui schenkte sich Reiswein nach. »Jetzt möchte ich Euer Versprechen, daß Ihr weiterhin Stillschweigen über das Geheimnis wahrt. Sōsakan Sano vermutet, daß der Grund für die Morde in der Vergangenheit unserer Familie zu suchen ist. Doch solange er das Motiv nicht kennt, kann er uns nichts nachweisen. Er kann uns nichts anhaben, solange unser Geheimnis gewahrt bleibt.«
    Nach einer Pause fügte Matsui hinzu: »Und falls Ihr mit dem Gedanken spielt, das Geheimnis zu benützen, um Sanos Verdacht auf andere zu lenken – denkt daran, daß es auch uns belastet!«
    Die ungerechtfertigte Anschuldigung und der Gedanke, mit Matsui unter einer Decke zu stecken, ließ wieder Zorn in Chūgo auflodern, selbst als er einsah, daß eine Verschwörung tatsächlich unumgänglich war. Er wußte, daß er das Geheimnis niemals preisgeben würde, doch er brauchte Gewißheit, daß auch der gerissene Matsui, dem man nicht trauen konnte, Stillschweigen wahrte.
    »Ich habe nichts zu befürchten«, sagte Chūgo gereizt. »Ich habe ein hieb- und stichfestes Alibi. Habt Ihr deshalb so große Angst, weil Ihr das nicht von Euch behaupten könnt?«
    Matsui lachte herzhaft. »Macht Euch nicht lächerlich. Meine Leibwächter können sich für mich verbürgen. Doch ich habe ein weiteres Alibi, das noch viel besser ist: meine Unschuld. Ich bin kein Mörder.«
    Chūgo starrte den Kaufmann an. Er staunte, mit welcher Glaubwürdigkeit sein Vetter lügen konnte, denn er wußte ganz sicher, daß Matsui schon einen Menschen getötet hatte – wenn nicht in jüngster Vergangenheit, so doch vor längerer Zeit. Der Vorfall – ein Höhepunkt der Schmach und Schande, die Matsui über die Familie gebracht hatte – hatte die Stunde des größten Triumphs in Chūgos Laufbahn zunichte gemacht.
    Im Alter von dreißig Jahren hatte Chūgo bereits als Torwächter, Streifenposten und Palastwache, als Schiffskommandeur in der Kriegsflotte und als Kompaniechef im Heer gedient – alles als Vorbereitung auf jenen Tag, da er den Posten seines Vaters als Hauptmann der Palastwache übernehmen sollte – und war gerade erst in den Rang eines Leutnants aufgestiegen. Seine erste große Aufgabe bestand darin, Shōgun Tokugawa Iemitsu auf einer Pilgerfahrt zum Zōjō-Tempel zu geleiten.
    Die gewaltige Prozession – eine schier endlose Kette aus Sänften, in denen der Shōgun und sein Gefolge saßen und die von Schwadronen bewaffneter Krieger bewacht wurden – hatte sich wie eine riesige Schlange durch die gewundenen Straßen Edos bewegt. Chūgo, als Befehlshaber der Wachtruppen, war durch die Reihen der Soldaten geritten, wobei er ständig nach Sicherheitsverstößen Ausschau hielt, und mochten sie noch so geringfügig sein. Stolz auf die gewaltige Verteidigungsmacht, die er zusammengestellt hatte und nun anführte, hatte er sich gewünscht, General Fujiwara könnte ihn sehen.
    Er ritt mit einem Vorposten, als er plötzlich Schreie hörte. Chūgo sah, daß ein abgerissener, unrasierter Samurai auf die Sänfte des Shōgun losstürmte, wobei der Mann ein Schwert schwang. Chūgo fragte sich gar nicht erst, ob der Samurai betrunken war, oder verrückt, oder wütend auf die Regierung. Während seine Männer noch verdutzt beobachteten, was geschah, stürmte Chūgo durch die Reihen seiner Krieger. Bevor der Samurai die Prozession erreichte, sprang Chūgo ihm mit gezogenem Schwert in den Weg. Ein blitzschneller Hieb, und der Angreifer lag tot zu Chūgos Füßen.
    Die Prozession erreichte unbehelligt den Tempel und kehrte wohlbehalten nach Edo zurück. Am nächsten Tag schenkte der Shōgun Chūgo als Anerkennung für seine Tat ein neues Schwert. An diesem Tag war Chūgo ein glücklicher Mann. Er hatte das höchste Gebot eines Samurai erfüllt, indem er sein Leben aufs Spiel setzte, um das seines Herrn zu schützen. Endlich hatte er General Fujiwara einen angemessenen Tribut gezollt!
    Am Tag darauf verbreitete sich eine schreckliche Neuigkeit wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Ein aufstrebender junger Kaufmann war in seiner Villa in den Hügeln erdolcht worden. Chūgo und sein Vater

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