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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Schande.«
    »Habt Ihr mich eingeladen, um mich zu beleidigen?« fuhr Chūgo auf. »Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich gar nicht erst gekommen.«
    Das ätzende Gift des Zorns brannte in seiner Brust. Doch die Bitterkeit, die zwischen ihm und Matsui herrschte, hatte nicht gerade erst begonnen; sie wurzelte tief in der Vergangenheit.
    Nach der Ermordung Oda Nobunagas waren die meisten der Gefolgsleute Odas wieder unter seinen höchsten Generälen – Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu – aufgeteilt worden. Doch General Fujiwara hatte den kurzen Rest seines Lebens damit verbracht, die Klans der Araki und Endō zu bekämpfen, statt den Verbündeten seines Fürsten zu dienen. Nach Fujiwaras Tod hatten drei seiner Söhne, darunter Chūgos Urgroßvater, Tokugawa Ieyasu den Treueid geleistet. Matsuis Urgroßvater wurde Heerführer unter dem Befehl von Toyotomi Hideyoshi – und übertrumpfte damit seine Brüder, denn Hideyoshi war der direkte Nachfolger Fürst Odas. Dieser Coup hatte einen tiefen Bruch zwischen den rivalisierenden Brüdern zur Folge, die schließlich alle Verbindungen abbrachen.
    Als Chūgo nun an diese alte Feindschaft dachte, loderte der Zorn aufs neue in ihm auf. Er stellte die Schale mit Sake zu Boden und erhob sich. »Entschuldigt mich. Ich muß zurück auf meinen Posten.«
    Wieder lachte Matsui. »Ihr wißt genau, weshalb ich Euch hergebeten habe«, sagte er dann, »und deshalb seid Ihr auch gekommen. Deshalb habt Ihr Euren Posten verlassen, und Eure geliebten Pflichten, die Ihr für edler haltet als das Streben nach Geld – auch wenn Ihr in Wahrheit nichts weiter als ein besserer Wachmann seid, der seinen Herrn vor einer Bedrohung schützt, die es gar nicht gibt.«
    Chūgos Zorn verwandelte sich in flammende Wut. Er mahlte mit den Zähnen und ballte die Fäuste. Am liebsten hätte er sein Schwert gezogen und den Kaufmann in Stücke gehauen. Gewiß hatte sein Urgroßvater seinem Bruder gegenüber – dem Urgroßvater Matsuis – die gleiche Feindseligkeit empfunden. Und mit welcher Genugtuung mußte es ihn erfüllt haben, als das nächste wichtige Ereignis in der Familiengeschichte eingetreten war!
    Der Riß zwischen den Söhnen General Fujiwaras war mit dem Tod Toyotomi Hideyoshis und dem Aufstieg Tokugawa Ieyasus noch tiefer geworden. Chūgos Ahnherr, der in der Schlacht von Sekigahara heldenhaft unter dem siegreichen Ieyasu kämpfte, hatte den neuen Shōgun zum Palast von Edo begleitet. Der Ahnherr Matsuis und die anderen zwei Brüder dagegen erhielten weniger angesehene Posten im Kantō, den reichen, landwirtschaftlich geprägten Provinzen außerhalb Edos. Auf diese Weise wurden die Familienmitglieder nicht nur durch den gegenseitigen Groll, sondern auch räumlich voneinander getrennt.
    Chūgo zwang sich, wieder Platz zu nehmen und die Sakeschale zu ergreifen. Er konnte sich nicht den Luxus erlauben, seinem Zorn Luft zu machen, denn er hatte in der Tat vermutet, daß Matsui ihn aus bestimmten Gründen zu sich bestellt hatte.
    Doch er wollte das Treffen so rasch wie möglich beenden; deshalb brachte er das harmlosere, aber nicht weniger ernste Thema zur Sprache. »Ihr wollt mit mir über mein Darlehen reden, nehme ich an.«
    In gespielter Verwunderung hob Matsui die Brauen. »Euer Darlehen? Ach, ja, jetzt erinnere ich mich. Ihr habt Euch eine große Geldsumme geliehen. Letztes Jahr, wenn ich mich recht entsinne.«
    Zweifellos könnte Matsui das genaue Datum und die exakte Summe nennen, wenn er wollte, dachte Chūgo, und der Haß auf diesen Mann stieg ihm wie ein Schwall bittere Galle in die Kehle. Matsui war ein erbarmungsloser Geschäftsmann, mochte es sich um eine noch so kleine finanzielle Angelegenheit handeln. Daß Matsui mit ihm spielte wie die Katze mit der Maus, machte Chūgo nur noch wütender – wie auch Matsuis nächste Worte.
    »Selbst Ihr, Vetter, müßt zugeben, daß wir Kaufleute einen gewissen Nutzen haben, nicht wahr?«
    Mit dieser Bemerkung wollte der vulgäre Geschäftemacher Chūgo an die beschämende Tatsache erinnern, daß die Samurai zwar den Staat regierten, die Kaufleute aber dessen Vermögen. Doch Chūgos Familie hatte die zweischneidigen Konsequenzen nicht vorhergesehen, als sie davon erfuhr, daß Matsui seinen Status als Samurai aufgegeben hatte und Kaufmann geworden war.
    Chūgo war damals vierzehn gewesen – ein Jahr vor Beginn seines Mannesalters und seines Aufstiegs in der Palastwache von Edo. An einem Sommermorgen hatte er in den Kasernen zusammen mit

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