Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück: Roman (German Edition)
die Nacht hinein hatten sie dagesessen und sich die Sterne angesehen. Max hatte dafür extra ein starkes Teleskop besorgt, weil sie sich irgendwann mal beklagt hatte, sie hätte am Großstadtleben nur eines auszusetzen: dass man die Sterne nicht sehen könne.
Sie würden diese Krise überstehen!
Solange sie die Redaktion noch ganz für sich allein hatte, fiel es ihr nicht schwer, sich diesen Satz wie ein Mantra immer wieder vorzusprechen. Erst als zwei Stunden später nach und nach der Rest der Truppe einschwebte und sich vor Begeisterung über das Hochzeitswochenende nicht mehr einkriegen konnte, flammte ihre Panik wieder auf. Vor allem, als Daniel, der Art Director, um zehn Uhr aufgeregt mit einer Foto- CD vor ihr stand, weil er mit ihr die Digitalaufnahmen durchgehen wollte.
»Sie sind fantastisch geworden, Andy. Traumhaft! Es war genau die richtige Entscheidung, St. Germain zu engagieren. Natürlich ist er eine Diva, aber es gibt einfach keinen Besseren als ihn. Ich kann es kaum erwarten, sie dir zu zeigen.«
»Die Fotos sind schon fertig?«, fragte Andy.
»Aber noch unbearbeitet. Du willst gar nicht wissen, was es uns gekostet hat, sie schon vorab in die Finger zu kriegen.«
Daniel steckte eine Speicherkarte in Andys iMac. Aperture ging auf. Ob sie die Fotos importieren wolle? Daniel klickte auf Ja. »So, jetzt haben wir’s gleich.« Noch zwei weitere Klicks, und schon erschien auf dem Siebenundzwanzig-Zoll-Bildschirm eine großformatige Aufnahme von Max und Andy. Sie sah direkt in die Kamera, die Augen strahlend blau, der Teint makellos. Max drückte ihr einen Kuss auf die Wange, perfekt im Profil eingefangen. Das leuchtende Herbstlaub im Hintergrund bildete einen reizvollen Kontrast zu seinem schwarzen Anzug und ihrem weißen Kleid. Es sah wie ein Foto aus einem edlen Hochglanzmagazin aus: das Schönste, das sie je gesehen hatte.
»Grandios, nicht wahr? Aber es wird noch besser.« Das nächste Bild war eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von der Feier. Dutzende von Gästen säumten lachend und klatschend die Tanzfläche, wo Max und sie eng umschlungen auf den ersten Tanz warteten. Er umfing sie mit seinen Armen, seine Lippen berührten ihre Stirn; ihr Haar ergoss sich in einer Kaskade aus Kastanienbraun über ihren Rücken. Andy war froh, dass sie sich für die etwas flacheren Pumps entschieden hatte. So kam der Größenunterschied zwischen ihnen noch besser zur Geltung, was sich auf den Fotos ausgesprochen elegant machte.
»Und jetzt die Aufnahmen nur mit dir. Zum Niederknien.« Daniel öffnete den Ordner »Porträts« und klickte ein Bild an. Andy in Großaufnahme, Gesicht und Schultern dezent mit einem Hauch Glimmerpuder bestäubt. Auf den meisten Bildern sah sie mit einem sehr beherrschten Lächeln in die Kamera (da sich, laut dem Fotografen, die ersten Fältchen bei einer Frontalaufnahme nur schwer kaschieren ließen). Nur auf einem einzigen Foto strahlte sie über das ganze Gesicht, und obwohl ihre Krähenfüße und die Lachfalten dadurch stärker auffielen, sah sie hier bei Weitem am natürlichsten aus. Man merkte, dass es vor ihrem Ausflug in Max’ Suite gemacht worden war.
Obwohl alle Welt sie gewarnt hatte, dass es ihr niemals gelingen würde, St. Germain für die Hochzeitsfotos zu buchen, hatte sie ihr Glück trotzdem versucht. Einen Monat und Dutzende von Mails und Telefonanrufen später hatte sie seine Agentur so weit weichgeklopft, dass man ihr zusicherte, ihre Anfrage an den Starfotografen weiterzuleiten, auch wenn man sie unmissverständlich spüren ließ, dass eine Publikation wie The Plunge für einen weltberühmten Künstler wie ihn viel zu popelig war. Nachdem sie eine geschlagene Woche lang vergeblich auf irgendeine Reaktion gewartet hatte, schickte sie St. Germain einen handgeschriebenen Brief, den sie ihm per Kurier in sein Studio in Chinatown zustellen ließ. Darin sagte sie ihm zwei zusätzliche Titel-Shootings seiner Wahl zu inklusive sämtlicher Reisekosten und Spesen, ganz egal, wie exotisch die Location. Außerdem bot sie ihm für seine nächste Benefizveranstaltung zu Gunsten der Erdbebenopfer auf Haiti The Plunge als Kosponsor an. Daraufhin bekam Andy immerhin schon mal einen Anruf von einer »Bekannten« des Meisters, und nachdem sie eingewilligt hatte, eine Titelgeschichte über St. Germains geliebte Nichte und deren Heiratspläne zu bringen, ließ sich der ach so ausgebuchte Starfotograf zuletzt doch noch breitschlagen. Es war der größte Coup, den Andy je für das Magazin
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