Die Regenbogentruppe (German Edition)
liebe Vieh« zur Hand. Herriot und ich waren gute Freunde geworden.
»Ich muss dieses Stipendium kriegen. Es ist meine einzige Chance!«, sagte ich jedes Mal, wenn ich vor den Spiegel trat. Denn das Stipendium war für mich die Fahrkarte zur Flucht aus einem Leben, dessen ich mich schämte.
*
Nach dem Eingangstest mit beängstigend vielen Teilnehmern in einem Fußballstadion folgten über mehrere Monate noch viele weitere Tests. Es dauerte fast sieben nervenzerrüttende Monate, bis ich endlich in der Runde angekommen war, in der die Entscheidung fallen sollte. Dazu wurde ich zu einem Interview eingeladen, das in Jakarta in einem Ministerium stattfand. Das Gespräch wurde von einem ehemaligen Minister geführt, einem gut aussehenden Herrn, der allerdings ein starker Raucher war. »Eine abscheuliche Gewohnheit«, nennt das Morgan Freeman in einem seiner Filme.
Ich betrat die Institution, zum ersten Mal in meinem Leben mit Krawatte, einem Kleidungsstück, das mit Sicherheit nie mein Herz erobern wird.
Eine Dame bat mich ins Prüfungszimmer. Der Herr saß schon dort mit einer Zigarette im Mundwinkel. Er bot mir einen Platz an und betrachtete mich eingehend. Wahrscheinlich dachte er, dieser Dörfler wird Indonesien im Ausland nur Schande machen. Dann vertiefte er sich in meine Antragsbegründung, mit der ich darzustellen versucht hatte, warum ich mich für förderungswürdig hielt.
Der Exminister nahm einen langen tiefen Zug aus seiner Zigarette – aber merkwürdig!, er stieß den Rauch nicht wieder aus. Er hatte ihn in seiner Lunge behalten. Einen Moment lang schloss er die Augen, genoss das giftige Nikotin und blies mir dann mit einem zufriedenen Lächeln den Rauch ins Gesicht. Er biss mir in den Augen, ich bekämpfte den Husten- und Würgereiz. Was sollte ich machen! Der Herr mir gegenüber hielt den Fahrschein für meine Zukunft in seiner Hand. »Ich finde Ihre Begründungen sehr interessant. Die Art und Weise, wie Sie sich auf Englisch ausdrücken, ist sehr überzeugend.«
Ich lächelte, diesmal allerdings mehr wie ein erfolgreicher Versicherungsagent. Er kann ja nicht wissen, dass wir Malaien sehr behände mit Worten umgehen können, sagte ich mir insgeheim.
Dann nahm sich der Exminister mein Forschungsvorhaben vor, in dem ich mein bevorzugtes Fachgebiet dargestellt und die Untersuchungsgrundlage sowie das Thema, das ich während des Stipendiums bearbeiten wollte, benannt hatte.
»Aha, das ist ja auch sehr gut …«
Er wollte noch etwas hinzufügen, aber ein weiterer Zug aus der geliebten Zigarette war ihm wichtiger, und so füllte er abermals seine Lunge mit Qualm. »Hmmm, hmmm … Das ist ein Thema, das tatsächlich näher untersucht werden sollte. Sehr interessant, wer hat Sie dabei angeleitet?«. Er lächelte breit, der Qualm stand ihm noch im Mund.
Natürlich war das eine rhetorische Frage. Ich lächelte nur. Die Muhammadiyah, Bu Mus, Pak Harfan, Lintang und die Regenbogentruppe, dachte ich, sagte aber nichts.
»Ich warte schon lange auf so einen Forschungsantrag, und jetzt kommt er von einem Mitarbeiter der Post. Wo sind Sie denn all die Zeit über gewesen, junger Mann?«
Ich lächelte und dachte: in Edensor.
Wenig später konnte ich mein Studium an einer Universität in Europa aufnehmen. In dieser neuen Situation sah ich auch mein bisheriges Leben aus einer neuen Perspektive. Doch nicht nur das, ich war glücklich, dass ich auf diese Weise meiner moralischen Verpflichtung gegenüber der Muhammadiyah, Bu Mus, Pak Harfan, Lintang und der Regenbogentruppe nachkommen konnte.
46 Der klapprige Bus fuhr am Markt vorbei, das Geschäft Sinar Harapan entschwand meinen Blicken. Wenig später setzte mich der Bus vor dem Haus meiner Mutter ab.
Aus dem Nachbarhaus drang das Lied Rayuan Pulau Kelapa , die Erkennungsmelodie des Senders Radio Republik Indonesia, es war demnach zwölf Uhr, Zeit für die Mittagsnachrichten. Sonst war es still. Da ertönte plötzlich ein langgezogenes dunkles Hupen. Ein Schwerlaster von zehn Tonnen näherte sich, zwei Kardanwellen, Turbo-Antrieb, achtzehn Räder mit einem Durchmesser von jeweils einem Meter.
Ein schmächtiger Mann hockte am Steuer, viel zu klein für diesen riesigen Lastwagen mit Quarzsand, er hatte Mühe, sich auf dem Fahrersitz zu halten.
»Kommst du doch endlich mal nach Hause, Ikal? Ich kann hier gerade nicht weg. Komm doch später rüber zu den Baracken!«, rief er mir zu.
Ich setzte meine vier schweren Taschen ab, konnte aber nur noch
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