Die Regenbogentruppe (German Edition)
Garuda. Dann gab es ein Modell, anhand dessen die Anatomie des menschlichen Körpers gezeigt wurde, einen großen Globus und eine Konstruktion zur Darstellung der Planeten und ihrer Konstellationen.
»Lehrer gibt es dort massenweise«, meinte Bang Amran Isnaini bin Muntazis Ilham, der früher einmal die Eliteschule besucht hatte, ausgerechnet am Abend vor meinem ersten Schultag in der Muhammadiyah.
Ich wurde nachdenklich.
»Für jedes Fach gibt es einen eigenen Lehrer, selbst in der ersten Klasse.«
In dieser Nacht konnte ich nicht einschlafen. Zum einen, weil ich die ganze Zeit versuchte, mir auszurechnen, wie viele Lehrer wohl in der Schule der staatlichen Bergbaugesellschaft unterrichteten, zum anderen natürlich, weil ich mich so sehr darauf freute, am nächsten Morgen selbst in die Schule zu kommen.
Zur Einschulung in der Eliteschule fuhren zahllose Luxuswagen vor dem Schulgebäude vor. Hunderten von Kindern reicher Elternwurden die Maße für gleich drei Garnituren der Schuluniform abgenommen. Die Uniform für montags zum Beispiel war blau und trug das Muster einer Kletterpflanze. Jeden Morgen wurden die Schüler mit einem blauen Bus abgeholt. Wenn der Bus an uns vorbeifuhr, blieben wir staunend am Straßenrand stehen. Und wenn die Schüler aus dem Bus stiegen, musste ich immer an die Bilder in christlichen Kalendern denken, an die kleinen, fröhlichen, weißen Kinder mit den duftigen Flügeln.
Die Schule der Bergbaugesellschaft stellte das sichtbarste Zeichen der Diskriminierung auf Belitung dar. Nur die Kinder der höheren Angestellten, die zum »Stab« gehörten und innerhalb des Gedong wohnten, wurden angenommen. Es gab eine offizielle Verordnung, in der geregelt war, welchen Rang jemand in der Angestelltenhierarchie haben musste, um seine Kinder in diese Schule schicken zu dürfen. Und wir gehörten natürlich nicht dazu.
Die Kinder von Fischern, Lastenträgern, Lagerarbeitern, Tagelöhnern und Schwerarbeitern aus der Waschanlage für Zinn, wie beispielsweise unsere Väter, und vor allem die Kinder der Einheimischen hatten also nicht die geringste Chance, eine vergleichbare Ausbildung zu bekommen. Wer von uns in die Schule gehen wollte, war auf die Muhammadiyah angewiesen, die beim nächsten Sturm einzustürzen drohte.
Was für eine Ironie: Die überwältigende Pracht des Gedong und die Schule mit ihrer einzigartigen Ausstattung wurden Cent für Cent mit dem Zinn aus unserer angestammten Erde finanziert, das heißt aus unserem ureigenen Besitz.
Das Gedong war das Wahrzeichen Belitungs, gebaut, um den kolonialen Albtraum fortzusetzen. Ziel der Regierung war es, einer Handvoll Leuten Macht und Bildung zu verschaffen und eine Mehrheit zu unterdrücken, sie fügsam zu machen, indem man ihnen das Recht auf Bildung verweigerte.
6 Aus der Vogelperspektive gesehen, hätte unsere Siedlung als die reichste ganz Indonesiens erscheinen müssen. Zinn von unschätzbarem Wert lag dort unter der Erde, und Trillionen von Rupiah wurden investiert. Wenn man allerdings genauer hinsah, erkannte man, dass sich der Überfluss auf ein einziges Areal beschränkte, der Reichtum häufte sich innerhalb der hohen Mauer auf, die das Gedong umgab.
Nur wenige Meter außerhalb der Mauer bot sich uns ein vollständig anderes Bild, die Mauer trennte zwei Welten, so gegensätzlich wie ein Landhuhn und ein Paradiesvogel. Draußen lebte die angestammte malaiische Bevölkerung, die nicht aufhörte, Kinder zu zeugen, bis nicht jeder mindestens acht davon in die Welt gesetzt hatte. Sie warfen der Regierung vor, dass ihnen abends ja kein anderes Vergnügen geboten würde, als Kinder zu zeugen.
Es ist vielleicht übertrieben, unser Dorf als Slum zu bezeichnen, aber es ist sicher nicht falsch, von einem Arbeiterviertel zu sprechen, das seit dem Beginn der industriellen Revolution von einer dauernden Sonnenfinsternis erfasst ist. Belitung gehört zu den Gebieten der Kolonie, die als Erste von den Holländern besetzt wurden, erzählte mir mein Vater. Sie nahmen sie im Handstreich und blieben sieben Generationen lang, bis über Nacht die Japaner einfielen. Wie ein brutaler Regenguss trafen sie auf den dürren Boden jahrhundertelanger Armut.
»Mein Sohn«, sagte er mit bitterer Miene wie ein Mensch, dessen Würde mit Füßen getreten wurde und dem man sein Land geraubt hatte. »Die Soldaten mit ihren aufgepflanzten Seitengewehren haben unsere Welt in eine Hölle verwandelt.«
Dreihundertfünfzig Jahre später verabschiedeten
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