Die Regenbogentruppe (German Edition)
sich die Holländer sang- und klanglos, und die Japaner brüllten »Sayonara!«. Leider war das kein Happy End für uns hier auf Belitung. Wir wurden abermals kolonisiert, nur auf andere Weise. Unser Land wurde uns zum zweiten Mal geraubt, diesmal jedoch auf subtilere Art.
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Von unserem Haus aus konnte man die Mauern des Gedong sehen. Auf unserem Grundstück wuchsen langweilige Sträucher wie Gardenien und Hibiskus. Unser kreuzweise geflochtener Zaun ragte in den Wassergraben, wo sich das Wasser staute und die Mücken nisteten – ebenso langweilig.
Unser baufälliges Haus stand auf Stelzen, rundherum die Polizeistation, ein Lagerraum der Bergbaugesellschaft, der chinesische Tempel, die Gemeindeverwaltung, das Standesamt, die Unterkunft der Hafenarbeiter, das Wohnheim der Matrosen, der Wasserturm, Läden der Peranakan-Chinesen, Dutzende von Buden, wo man Kaffee und andere Getränke bekommen konnte, und Pfandhäuser, die ständig voller Kunden waren. Am äußersten Rand der Siedlung lag das Langhaus der Sawang. So lang wie ihr Haus ist auch ihre Geschichte.
Die Sino-Malaien werden meistens Peranakan-Chinesen genannt. Sie leben schon seit vielen Generationen auf Belitung. Die Ostindien-Kompanie hatte sie ursprünglich als Zinnarbeiter hierhergeholt. Es waren meistens Khek oder Hakka, Hokkien aus Fujan, Thongsan, Ho Pho, Shan Tung und Thio Ciu – tüchtige Leute, die eine eigene Technik für den Zinnabbau entwickelten. Die Bezeichnungen für diese handwerklichen Techniken – aichang , phok , kiaw , dan khaknai – werden bis heute bei uns verwendet.
Die Malaien lebten wie Wayang-Puppen. Ihr Puppenspieler war ein kleines rundes Ding von starker Wirkungskraft, die Sirene. Um Punkt sieben Uhr morgens wurde die Stille von einem ohrenbetäubenden Heulen zerrissen. Schlagartig kamen die Arbeiter aus allen Winkeln der Siedlung zusammen, stellten sich am Straßenrand auf und sprangen unter Geschubse und Gedrängel auf die Ladeflächen der offenen Lastwagen, die sie zu den Baggerschiffen brachten.
Für eine Weile wurde es wieder still, dann ertönte das Orchester der Mörser: Die Hausfrauen stampften Gewürze. Das Geräusch der Reisstampfer, die in die Mulden der hölzernen Mörser gerammt wurden, hallte von überall wider, wurde von Haus zu Haus weitergetragen. Punkt fünf Uhr nachmittags heulte die Sirene wieder auf. Dann kehrten die Arbeiter in ihre Häuser zurück, wie fliehende Ameisen, deren Nest in Flammen steht. So lief es Tag für Tag, seit Jahrhunderten.
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Mein Vater sagte immer, unsere Familie könne sich wirklich glücklich schätzen. Eine der großen Stärken der Malaien ist genau diese Gabe, sich auch in armseligsten Verhältnissen glücklich zu schätzen.
Wenige Tage vor meiner Einschulung sagte mein Vater zu mir: »Mein Sohn, Dorfschullehrer wie Bu Mus und Pak Harfan, Fischer, Petroleumverkäufer, Kokosarbeiter und Schleusenwärter führen ein bedauernswertes Dasein. Du musst wirklich Allah für all das danken, was wir haben.«
Es war das erste Mal, dass ich den Namen Bu Mus hörte.
Dann erzählte mein Vater, er habe gehört, dass Bu Mus, die junge Lehrerin, alles dransetzen wolle, die Dorfkinder in die Schule zu bringen. Von diesem Augenblick an war Bu Mus eine Heldin für mich.
Von den zehn neuen Schülern waren Sahara, Kucai, Trapani, Harun, Mahar und ich allesamt Kinder von Arbeitern der Bergbaugesellschaft. Lintang war der Sohn eines Fischers, Borek der eines Schleusenwärters, Syahdan der Sohn eines Werftarbeiters und A Kiong der eines chinesischen Landarbeiters.
Wenn die Familien von Sahara, Kucai, Trapani, Harun, Mahar und mir die Armutslinie markierten, dann befanden sich die Familien von Lintang, Borek, Syahdan und A Kiong mal über und mal unter dieser Linie. Solange der sanfte Südwind wehte, Trockenzeit herrschte und sie Muscheln ernten und Kokosnüsse verarbeiten konnten, hatten sie etwas mehr zur Verfügung als wir. Aber wenn die Regenzeit kam und lange andauerte, dann sanken sie unter diese Linie.
Bei all diesen unterschiedlichen Stufen der Armut gab es jemanden, der noch ärmer war, und sie wollte unsere Lehrerin sein. Ich war sehr gespannt auf die junge Frau, von der mein Vater erzählt hatte.
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»Nennt mich Bu Mus«, sagte sie stolz, als hätte sie ihr ganzes bisheriges Leben darauf gewartet, diesen Satz aussprechen zu können.
Bu Mus hatte gerade erst die Gewerbeschule für Mädchen beendet und damit einen Mittelschulabschluss erworben. Die Schule bildete keine Lehrerinnen
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