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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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mit Chili.

 
     
     
    7  Filicium, den japanischen Baumfarn, pflanzen Gärtner gern, wenn sie Vögel anlocken möchten. Sein dichtes Laub kennt keine Jahreszeit. Schöne kleine Papageien, Serindit genannt, besuchen ihn oft. Bevor sie in unser Filicium hinter der Schule einfielen, flogen die grünen Vögel jedoch immer zur Vorsicht zuerst auf die oberen Äste des benachbarten Ganiterbaums, sahen sich nach allen Seiten um, ob irgendwo noch Konkurrenten oder Feinde lauerten, stürzten dann hinunter und machten sich mit ihren scharfen Schnäbeln, mit denen sie sogar Drähte durchbeißen können, über die kleinen Früchte her. Dabei spähten sie, ständig wachsam, nach rechts und links. Daraus konnten wir die Lehre ziehen: Wenn du schön bist, hast du kein ruhiges Leben.
    Nach den Serindit kam eine Schar Stare. Ihr Erscheinen erregte bei uns kein Aufsehen. Niemand kümmerte sich um sie, weder Raubvögel noch Menschen, entsprechend unbekümmert hackten sie mit ihren Schnäbeln nach den Früchten, die die Serindit zurückgelassen hatten.
    Gegen Mittag flogen dann einige Schneidervögel ein, still wie ein Windhauch. Schöne Vögel, aber nicht so aufgeregt wie die grünen Serindit. Sie pickten Raupen und Würmer von der Rinde des Filicium und flogen lautlos wieder davon.
    Was für die Vögel galt, galt auch für uns: Das Filicium bestimmte unseren Tag. In seinen Ästen bauten wir uns Behausungen, in seinem Laub spielten wir Verstecken, in seine Rinde ritzten wir unsere Freundschaftsschwüre, auf seinen Wurzeln hockten wir, wenn uns Bu Mus Geschichten erzählte, und unter seinem dichten Laubwerk spielten wir Froschhüpfen und übten Theaterszenen ein.
    Wenn der Unterricht zu Ende war, hatten wir keine Lust, nach Hause zu gehen. Wenn der Sonntag bevorstand, konnten wir den Montag kaum erwarten.
    *
    In der ersten Woche fassten wir noch kein Buch an. Stundenlang lauschten wir gebannt den wundersamen Geschichten, die Bu Mus und Pak Harfan uns erzählten.
    In der zweiten Woche war ich am Montag schon sehr früh morgens da. Meine Ungeduld, Bu Mus und Pak Harfan wiederzusehen, war zu groß. Als ich die Tür zu unserer Klasse öffnete, bekam ich einen Schreck. In der gegenüberliegenden Ecke hatte es sich eine Kuh bequem gemacht. Auf der anderen Seite saß Lintang, ebenso ruhig. Obwohl er mit Abstand den weitesten Schulweg hatte, war er morgens immer der Erste.
    An diesem Tag lernten wir, das ABC bis zum Buchstaben E aufzusagen. Die Woche drauf konnten wir dann schon mit einiger Mühe die ersten sieben Buchstaben des Alphabets schreiben, von A bis G.
    »Jede Woche sieben Buchstaben«, verkündete Bu Mus. »In einem Monat kennt ihr alle Buchstaben, und danach lernen wir Wörter schreiben.«
    In der dritten Woche hatte ich großen Spaß dabei, so merkwürdige Buchstaben wie Q, V und X zu entdecken. Ich fragte mich nur, warum man sich etwas ausdenkt, was so selten gebraucht wird. Während ich mir darüber noch den Kopf zerbrach, hob mein Sitznachbar die Hand.
    » Ibunda Guru «, rief er.
    Bu Mus schaute auf. »Ja, Lintang?«
    »Könnten Sie mir bitte das Formular geben, das Sie meinem Vater bei der Einschulung ausgeteilt haben? Ich möchte es ausfüllen.«
    Bu Mus lächelte. »Geduld, Lintang. Wir haben doch gerade erst die Buchstaben kennengelernt. Später, in der zweiten Klasse, wenn du schreiben gelernt hast, kannst du es ausfüllen.«
    Lintang stand auf. »Ich möchte es jetzt ausfüllen. Ich hab’s meinem Vater versprochen.«
    Wir wunderten uns.
    Bu Mus zögerte: »Kannst du das wirklich?«
    »Ja, Ibunda Guru «, rief Lintang mit klarer Stimme.
    Bu Mus war noch immer skeptisch, aber sie zog die Schublade an ihrem Tisch auf, nahm das Formular heraus und trat zu Lintang. Wir standen alle auf und umringten ihn.
    Lintang nahm den Stift, den er sich hinters Ohr geklemmt hatte, biss ins Ende und beugte sich über das Formular. Aufgeregt verfolgte Bu Mus Lintangs magere, schmutzige Finger, wie sie silbenweise mehr malten als schrieben. Langsam, aber durchaus sicher, füllte er die leeren Felder aus.
     
Name des Schülers:
   
Lintang Samudera Basara
Name der Eltern:
   
Syahbani Maulana Basara
    Wir Umstehenden waren sprachlos. Bu Mus sah Lintang geradezu mit Entzücken an, als hätte sie in einer Muschel eine Perle entdeckt. »Großer Gott, Lintang! Allerheiligster Allah …«
    Lintang füllte das Formular vollständig aus und überreichte es lächelnd Bu Mus. An diesem Tag, noch keinen Monat nach Schulanfang, löste Lintang

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