Die Reise nach Uruk
hast es so lange aufgeschoben, könntest du nicht noch ein wenig länger warten?«
»Wie lange?«
»Bis ...« Er hatte die Lippen zusammengepreßt, und sie hatte sofort gewußt, was ihn bekümmerte.
»Du wirst noch lange leben«, hatte sie gesagt, »und würdest du meine Hilfe annehmen, läge das, wovor du dich fürchtest, noch in sehr viel fernerer Zukunft!«
»>Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.«
»Ich würde mich fürchten«, hatte sie erwidert.
»Willst du endlich darüber reden, oder wirst du das Gespräch, wie sonst auch, nach ein paar verschwommenen Andeutungen abbrechen? Ich weiß immer noch so wenig über dich!«
»Reden hilft nicht.«
»Mir schon. Mir würde es helfen!«
»Das denkst du. Aber meine Geschichte ... würde mehr zerstören als kitten.«
Stifter hatte nach einem Fluch gefragt: »Wann wirst du abreisen?«
»>Ich weiß es noch nicht.«
»Mir zuliebe brauchst du nicht länger zu warten!«
Langsam hatte sie ihm das Gesicht zugedreht, sich aufgerichtet und Tobias rechts und links an den Schultern gefaßt. »Wir hören damit auf - sofort! So werden wir nicht länger miteinander umgehen! Was ist nur in uns gefahren? Ich weiß, daß vieles meine Schuld ist. Denn ich weiß Dinge, über die ich nie gesprochen habe - Dinge, die dich natürlich auch betreffen, auch angehen . Aber ich habe Angst! Ich habe schreckliche Angst, daß sie alles zerstören, was uns jetzt noch verbindet...!«
»Ist dir nie der Gedanke gekommen, es könnte unser Zusammengehörigkeitsgefühl noch mehr festigen, wenn ich endlich die volle Wahrheit über dich erfahren würde?«
Zerbrechlich wie Glas mußten ihre Züge im Moment ihres Schweigens gewirkt haben.
Tobias hatte gesagt: »Wenn du gehen mußt, und wenn du meinst, unbedingt allein gehen zu müssen . na gut, dann geh! Aber zögere es nicht mehr lange hinaus. Ich kann nicht jeden Tag daran denken, wie es sein wird, wenn du gehst. Tu es! Und komm zurück, wenn du gefunden hast, wonach du so fieberhaft suchst...«
Sie hatte ihn fest an sich gezogen, ihre Wange gegen seine gepreßt und ihn beschworen: »Zweifle niemals an meiner Liebe ... Versprich mir das! Sie hat nicht das Geringste damit zu tun, daß ich dir nicht alles sagen konnte . noch nicht jedenfalls und vielleicht .«
»Nie?«
»Ja.«
»Du weißt, was du verlangst?«
Sie hatte auch diese Frage bejaht, und seine letzte Bemerkung, bevor das Thema beendet wurde, hatte gelautet: »Dann ist es gut.«
Tobias hatte sich nicht an dieses Abkommen gehalten, glücklicherweise nicht, sondern war ihr heimlich gefolgt. Erst während ihrer Zwischenetappe in Jerusalem hatte er sich ihr zu erkennen gegeben. In einem Jerusalem, wo zur selben Zeit der Hüter mit dem Lilienkelch versucht hatte - Karims Stimme durchtrennte das Band ihrer Erinnerungen: »Es wird dunkel. Wir legen eine Rast ein. Morgen Mittag haben wir unser Ziel erreicht.«
Ich werde auch ihn verlieren, dachte Elisabeth, nachdem sich Karims Züge über die Erinnerung an Tobias geschoben hatten. Zwei grundverschiedene Männer, und doch auf der einzigen Ebene, die unter dem Strich zählte, sehr ähnlich.
Ein feines Lächeln verschönte Elisabeth' Züge, als sie sagte: »Noch eine Nacht möchte ich nicht allein im Zelt verbringen. Würdest du mir Gesellschaft leisten?«
Die Art, wie sie fragte, ließ keine Zweifel, wie sie es meinte.
Karims Blick schweifte kurz zu der Handvoll Männer, die sie bei Mos Iranshar, dem seriösesten Karawanenausrüster von Al Basrah -und einem guten Bekannten von Karims Vater - angeheuert hatten. So fröhlich, daß Elisabeth eine Gänsehaut bekam, sagte er: »Ich hätte dich auch keine Nacht mehr allein gelassen. Diese Kerle ... Irgend-wie traue ich ihnen nicht. Wir sollten auf der Hut sein.«
»Der Mann, mit dem wir verhandelten, machte einen vertrauenswürdigen Eindruck .«
»Er ist vertrauenswürdig. Normalerweise. Aber sie müßten komplette Narren sein, wenn sie sich nicht ihre eigenen Gedanken über das Ziel unserer Reise machen würden. Du hast sie für eine Ausgrabung ausgesucht, und das verbinden sie automatisch mit verborgenen Reichtümern .« Karim schüttelte nachdenklich den Kopf. »Solange wir nicht gefunden haben, wonach du suchst, werden wir uns hoffentlich auf sie verlassen können. Aber sobald wir fündig werden, müssen wir aufpassen, sonst .«
»Sonst?«
Seine grimmige Miene war beredet genug.
Bei einer Quelle schlugen sie ihr Lager auf. Elisabeth verdrängte die Befürchtungen, die Karims Worte in
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