Der Sklave von Midkemia
Eins
Sklave
Der Wind wurde schwächer
Staub wirbelte in kleinen Wölkchen auf und legte sich in einer feinen Schicht auf die Palisade, die den Sklavenmarkt umgab. Trotz der unsteten Windböen war die Luft heiß und stickig und behielt ihren eigentümlichen Gestank – eine Mischung aus dem Geruch eingepferchter und ungewaschener Menschen, in den Fluß geleiteter Abwasser und der Abfälle, die gleich hinter dem Markt auf einer Müllkippe verrotteten.
Mara saß abgeschirmt hinter den Vorhängen ihrer in hellen Farben lackierten Sänfte; sie wedelte sich mit einem duftenden Fächer Luft zu. Falls der Geruch ihr zu schaffen machte, zeigte sie es zumindest nicht. Die Herrscherin der Acoma gab ihrer Eskorte das Zeichen anzuhalten. Die Soldaten in den grünlackierten Rüstungen blieben stehen, und schwitzende Träger setzten die Sänfte ab.
Ein Offizier mit dem Federbusch eines Truppenführers reichte Mara die Hand und half ihr aus der Sänfte. Ihre Wangen waren leicht gerötet, doch Lujan wußte nicht zu sagen, ob von der Hitze oder noch immer von dem Streit, der ihrem Aufbruch vom Herrenhaus vorausgegangen war. Jican, der Verwalter ihrer Güter, hatte den größten Teil des Morgens versucht, sie mit heftigen Einwänden vom Erwerb seiner Meinung nach völlig wertloser Sklaven abzubringen. Sie hatte die Diskussion schließlich beendet, indem sie ihm befohlen hatte zu schweigen.
Mara wandte sich an ihren Truppenführer. »Lujan, Ihr begleitet mich. Die anderen sollen hier warten.« Die Schärfe in ihrer Stimme ließ Lujan auf die Scherze verzichten, mit denen er gelegentlich die Grenzen des zulässigen Protokolls strapazierte. Seine wichtigste Aufgabe war jedoch ohnehin, sie zu schützen, und da er den öffentlichen Sklavenmarkt in dieser Hinsicht für einen wenig geeigneten Ort hielt, wandte er seine Gedanken rasch den Fragen der Sicherheit zu. Während er nach Anzeichen suchte, die auf eine Störung oder irgendwelchen Ärger hinwiesen, kam er zu dem Schluß, daß Mara die Meinungsverschiedenheit mit Jican vergessen würde, solange sie sich mit ihrem neuesten Plan beschäftigte. Und daher würde es ihr nicht gefallen, Einwände zu hören, mit denen sie bereits innerlich abgeschlossen hatte.
Lujan wußte, was seine Herrin auch tat, es diente alles dem Ausbau ihrer Position im Spiel des Rates, dem Herzstück tsuranischer Politik. Das Überleben und die Stärkung des Hauses der Acoma war ihr unablässiges Ziel, das sie nie aus den Augen verlor. Feinde wie Freunde hatten lernen müssen, daß sich das einst unerfahrene junge Mädchen zu einer äußerst talentierten Teilnehmerin am tödlichen Spiel entwickelt hatte. Mara war der Falle entwischt, die Jingu von den Minwanabi, der alte Feind ihres Vaters, ihr gestellt hatte. Statt dessen hatte sie erfolgreich ihre eigenen Pläne verfolgt und Jingu gezwungen, sich in Schande das Leben zu nehmen.
Doch wenn auch der Triumph Maras gegenwärtig das Gesprächsthema bei den Edlen im Kaiserreich bildete, hatte sie selbst sich kaum die Zeit gegönnt, die Früchte ihres Aufstiegs zu genießen. Der Tod ihres Vaters und ihres Bruders hatte das Haus der Acoma bis an den Rand völliger Vernichtung getrieben. Jetzt machte Mara sich daran, das Überleben der Acoma abzusichern, um so künftigen Gefahren besser begegnen zu können. Was geschehen war, lag hinter ihr, und dabei zu verweilen barg das Risiko, unvorbereitet überrascht zu werden.
Zwar war der Mann, der den Tod ihres Vaters und ihres Bruders befohlen hatte, schließlich selbst gestorben, doch ihre Aufmerksamkeit richtete sich weiter auf die Blutfehde zwischen dem Haus der Acoma und dem der Minwanabi. Mara erinnerte sich nur zu gut an den unverhüllten Haß im Gesicht Desios von den Minwanabi, als sie und die anderen Gäste bei ihrer Abreise an der Gruppe vorbeikamen, die sich zum rituellen Selbstmord seines Vaters versammelt hatte. Desio mochte nicht so schlau sein wie sein Vater Jingu, doch er würde nicht weniger gefährlich sein; Trauer und Haß fügten seinen Motiven jetzt noch eine persönliche Note hinzu: Mara hatte Jingu auf dem Höhepunkt seiner Macht und noch dazu in seinem eigenen Haus vernichtet, während er als Gastgeber die Geburtstagsfeier für den Kriegsherrn ausrichtete. Danach hatte sie die Feierlichkeiten auf ihr eigenes Gut verlegt und den Sieg in der Gegenwart der einflußreichsten und mächtigsten Edlen des Kaiserreiches ausgekostet.
Doch kaum hatten sich der Kriegsherr und seine Gäste verabschiedet, galt
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