Die Rettung von Zei
die Hypthenuse eines gedachten rechtwinkligen Dreiecks entlangzufahren brauchte, um ihnen den Weg abzuschneiden.
»Segel einholen!« brüllte Chask, und die große Rahe kam herunter. Sie nahm die ganze Länge der Shambor ein.
Die Matrosen warfen Barnevelt düstere Blicke zu. Einen ertappte er sogar dabei, wie er sich an die Stirn tippte. Aber Chask ließ ihnen keine Zeit zum Murren: Ein wahres Maschinengewehrfeuer von Befehlen jagte ein paar von ihnen zum Mast, wo sie die Stage abfieren und die Keile herausschlagen mussten, die den Mast hielten. Alsdann stellte Chask am Bug, am Heck und an den Seiten je ein paar Matrosen zum Halten der Geitaue auf. Andere hoben den Mast aus seiner Spur und setzten das untere Ende auf das Deck neben die Fischungen. Das Flugtier, das Barnevelt gezähmt hatte, kreiste unterdessen aufgeregt quietschend um die Mastspitze.
Währenddessen schnitt der Matrose, der Löcher in die Unterkante des Segels geschnitten hatte, auch Löcher in das Liek, während ein anderer die Stroppen durchschnitt, mit denen das Segel an der Rahe befestigt war. Als dies geschehen war, fassten alle Mann bis auf die Ruderer an, um die Rahe an die Stelle des Masts zu setzen. Durch kräftiges Ziehen am Fall hievten sie die nackte Rahe hinauf zur Spitze des alten Masts, der jetzt als Spill diente, und beförderten ihr unteres Ende mit einem kräftigen Hauruck in die jetzt leeren Fischungen des alten Masts. Das hohe Rundholz schwankte bedenklich, die Männer an den Geitauen schrien erschreckt auf; doch schließlich fuhr der Mast mit einem dumpfen Aufprall, der das Schiff erzittern ließ, in seine Halterung und wurde mit vereinten Kräften an seinen Platz gedrückt und mit Keilen befestigt. Danach senkten sie den alten Mast langsam auf das Deck, indem sie die G ei taue an die Rahe verlegten und das alte Fall fierten.
Die Galeere, deren Segel inzwischen beschlagen waren, hatte weiter Boden gutgemacht. Barnevelt hörte, wie mit dem Wind schwache Rufe herübergeweht kamen.
Als der erheblich höhere neue Mast in Stellung gebracht und befestigt war, hissten sie die kurze Seite des Segels an den ehemaligen Mast, indem sie ein dünnes Tau durch die vorbereiteten Löcher zogen und es spiralförmig um das Holz wanden. Danach befestigten sie die mittelgroße Seite des Segels an der ehemaligen Rahe, die jetzt als Mast diente. Diesmal jedoch benutzten sie kein langes einzelnes Tau wie zuvor bei der Rahe, also dem Ex-Mast, sondern schufen eine lockere, gleitende Befestigung, indem sie die vorher zurechtgeschnittenen kurzen Taustücke einzeln durch die Löcher im Liek fädelten, dann lose um den Mastbaum (die ehemalige Rahe) schlangen und mit Reffknoten dergestalt befestigten, dass sie als quasi feste Gleitringe fungierten. Jetzt konnte das Segel aufgezogen werden.
»Beeilt euch, Halunken!« brüllte Chask. »Hurtig, hurtig!«
Die Stimmen auf der Galeere waren jetzt deutlicher zu hören. Der letzte Arbeitsgang bestand darin, das Joch, das früher den Ex-Mast gekrönt hatte, an der Ex-Rahe festzumachen, und zwar locker genug, damit der ehemalige Mast, der jetzt der Baum war, frei schwingen konnte, aber auch fest genug, um ihn festzuhalten.
Auf der Galeere ging mit lautem Getöse ein Katapult los. Ein schwarzer Punkt schwoll zu einer Bleikugel an, die in hohem Bogen über das Wasser gesaust kam und nur zwei Ruderlängen neben der Shambor hineinplumpste.
»Prinzessin, ab in die Kajüte!« rief Barnevelt Zei zu.
»Ich bin kein Feigling. Mein Platz ist …«
»In die Kajüte, verdammt noch mal!« Als er sah, dass sie gehorchte, wandte er sich zu Chask um. »Glaubst du, die Zeisung hält?«
»Sie muss wohl, Käpt’n.«
Ein scharfes Zischen wie von einer Peitsche ließ Barnevelt zusammenzucken. Als er zur Galeere hinüberschaute, sah er, wie ein Mann am Bug gerade eine schwere Armbrust spannte. Gleich darauf zischte ein zweiter Bolzen herüber, der ihn nur um einen knappen Meter verfehlte.
Die endlos scheinende Arbeit an der neuen Takelung schien indes endlich geschafft. Das Segel war voll gehisst. »Falleine belegen!« ertönte Chasks Kommando.
Das Segel flatterte killend im Wind. Eine Minute später würden sie wissen, ob Barnevelts gewagte Konstruktion hielt, was sie versprach. Wenn er an dem zerbrechlichen neuen Mast hochblickte, wurde ihm angst und bange, aber für Reue war es jetzt zu spät. Er sprang die Stufen zur Achterhütte hinauf und übernahm das Steuer von dem Seemann, der es während des Umbaus gehalten
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