Die Rettung von Zei
Barnevelt den Befehl gab, die Rudermannschaft auf acht Leute zu reduzieren, damit die übrigen sich ausruhen konnten. Er hatte auch das Gefühl, dass sich die Stimmung der Männer und damit ihre Haltung ihm gegenüber ein wenig gebessert hatte.
Nun, da die Spannung von ihm gewichen war, fiel ihm auf, wie hungrig er war. Er hatte während der letzten angespannten achtundvierzig Stunden kaum etwas zu sich genommen, und das Tier in ihm begann zu protestieren. Er übergab Chask das Steuer und begab sich zur Vorderkajüte, in der Hoffnung, in Zeis Gesellschaft einen kleinen Imbiss einnehmen zu können.
»O Kapitän!« rief eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und schaute in die Gesichter von drei Matrosen, unter ihnen der streitbare Zanzir.
»Ja, bitte?«
»Wann bekommen wir Wasser, Herr?« fragte Zanzir. »Wir sterben vor Durst.«
»Ihr bekommt eure nächste Ration zu Mittag.«
»Wir wollen sie aber sofort, Kapitän. Ohne sie können wir nicht weiterrudern. Ihr wollt sie uns doch nicht abschlagen, oder?«
»Ich sagte«, erwiderte Barnevelt, und seine Stimme wurde um eine Spur schärfer, »ihr bekommt eure nächste Ration zu Mittag. Und das nächste Mal, wenn ihr mich sprechen wollt, holt ihr euch gefälligst erst bei Chask die Erlaubnis ein!«
»Aber, Kapitän …«
»Jetzt reicht es aber!« brüllte Barnevelt, dessen Wut noch durch das Bewusstsein gesteigert wurde, dass er selbst nicht ganz schuldlos an der Undiszipliniertheit seiner Mannschaft war. Er drehte sich auf dem Absatz um und setzte seinen Weg zur Kajüte fort. Aus dem unterdrückten Gemurmel der drei hinter seinem Rücken hörte er deutlich die Worte heraus: »… hält sich wohl für einen großen und mächtigen Herrscher, wie …?«
»Was fehlt meinem Herrn?« empfing ihn Zei. »Ihr macht ein Gesicht wie Qarar, als er vom König von ’Ishk betrogen wurde.«
»Mir geht’s prächtig«, knurrte Barnevelt und ließ sich auf eine Bank fallen. »Wie wär’s mit einem kleinen Happen zur Stärkung, Mädchen?« Er war zu müde, um sich noch groß Gedanken darüber zu machen, dass dies nicht gerade die übliche Anrede für eine Prinzessin war. »Das heißt, falls Ihr wisst, wie man etwas zu essen zubereitet.«
»Und warum sollte ich das nicht wissen?« fragte sie, wobei sie in den Regalen herumkramte.
»Aaah«, gähnte er. »Nun, ich dachte, als Kronprinzessin kriegt man solche banalen Künste nicht unbedingt beigebracht.«
»Könnt Ihr ein königliches Geheimnis bewahren?«
»Hm.«
»Meine Frau Mutter hielt mich, eingedenk der Revolutionen, die bedauernswerterweise die alte Ordnung in Zamba und anderswo gestürzt haben, schon sehr früh dazu an, die Künste der gemeinen Hausfrauenschaft zu erlernen, auf dass ich, komme, was da wolle, niemals in die Verlegenheit gerate, mich nicht selbst nähren und kleiden zu können. Mögt Ihr ein paar von diesen getrockneten Früchten? Mir scheint, die Würmer haben sie noch nicht zu ihrer Heimstatt erkoren.«
»Fein. Gebt mir dazu den Laib Badr und das Messer.«
»Bei allen Göttern im Himmel!« rief sie verblüfft aus, als sie sah, welche Mengen er zu verputzen gedachte. »Aber ich wähne langsam, dass Heldentaten auch mit einem Heldenappetit einherzugehen scheinen. Mein Leben lang habe ich die Legenden von Qarar und seinesgleichen gelesen. Doch da ich nur unsere verzärtelten einheimischen Gecken kannte, dachte ich, bis ich Euch traf, dass Männer von solcher Tapferkeit nur in Heldenliedern und Legenden existierten.«
Barnevelt warf Zei einen misstrauischen Blick zu. Obwohl er sie von allen Krishnanern, die er kannte, am liebsten mochte, glaubte er doch, den Entschluss gefasst zu haben, sich nicht in ernsthaftere Beziehungen mit der Dame einzulassen.
Er sagte: »Ihr freut Euch also nicht darauf, Königin zu werden und jedes Jahr einen frischen Qiribu als Gatten zu bekommen?«
»O nein! Doch obgleich es mir sogar ausgesprochen missfällt, mangelt es mir doch an Stärke oder Schlauheit, die Ereignisse aus ihren vorgezeichneten Bahnen zu werfen. Es ist leicht, groß zu reden – so wie die Heldin in Harians Die Verschwörer –, man müsse die Bequemlichkeiten und Privilegien des hohen Standes um der Liebe willen aufgeben. Dies in die Tat umzusetzen, ist eine ganz andere Sache. Doch beneide ich mitunter gewöhnliche Weiber in barbarischen Ländern, die mit echten, starken Männern wie Euch vermählt sind, die sie beherrschen, wie meine Mutter ihre Gatten beherrscht. Denn obwohl in Qirib die Herrschaft
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