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Die Riesin Arachna

Die Riesin Arachna

Titel: Die Riesin Arachna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurij Kusnezow
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Sträucher wuchsen, sickerte etwas Licht herein. Nein, so vermodert und verfallen, wie er anfangs gedacht hatte, war das hier gar nicht. Und gefährliche Tiere, Giftschlangen oder so etwas, schien es auch nicht zu geben.
    Ol öffnete das Fenster, so weit es ging, damit mehr Licht und frische Luft hereinkamen, dann schaute er sich genauer um. In der Tat, es war ein Wunder, aber er hatte es geahnt. Die Anordnung der Zimmer, die Möbel – es gab keinen Zweifel. Schon beim Anblick des Tümpels und des Gesträuchs war ihm diese Vermutung gekommen. Als er dann die Tür entdeckt hatte, wurde er sich immer sicherer. Er hatte es bis zuletzt nicht zu hoffen gewagt, aber nun wurde es Gewißheit.
    Ol rief Mo und Viola:
    »Ihr könnt ins Haus kommen«, sagte er, »es besteht keine Gefahr.« Die Kinder stürzten herein.
    »Das ist ja eine richtige Wohnung!« entfuhr es Viola. »Fast gemütlich ist es hier.«
    »Erkennst du es denn nicht wieder?« fragte der Vater.
    »Wiedererkennen? Waren wir schon mal hier? Ja, tatsächlich, wenn ich das Muster an der Decke betrachte, die Wände und die Tür…«
    »Schau dir doch mal den Kamin an und vor allem das kleine Sofa!«
    Viola wurde ganz blaß um die Nasenspitze und dann wieder rot.
    »Du meinst… das hier ist unser Haus?«
    »Ganz ohne Zweifel. Du kannst es dir ruhig auf deinem Sofa bequem machen.«
    »Das glaub ich nicht«, murmelte Viola. »Nach dieser irre langen Zeit, die inzwischen vergangen ist, das glaub ich einfach nicht.«
    »Hier geht’s zur Küche und hier zu Violas Zimmer«, sagte Mo zögernd, »es könnte tatsächlich stimmen.«

    »Aber wie hat es die vielen Jahre überdauert«, fragte Viola, »warum ist es nicht kaputtgegangen?« Sie ließ sich vorsichtig auf ihrem geliebten Sofa nieder.
    »Einerseits, weil das Material, aus dem wir es damals erbaut hatten, unzerstörbar ist«, erwiderte Ol, »andererseits, weil es wahrscheinlich von Staub umschlossen und auf diese Weise zusätzlich geschützt wurde. Dann hat sich durch Moose und Pflanzen eine weitere Schutzschicht gebildet.«
    »Nicht mal der graue Staub scheint durch die Ritzen gedrungen zu sein«, sagte das Mädchen, »so fest ist alles ineinander gefügt.«
    »Und der Tümpel draußen, das ist der Teich, in dem wir immer gebadet haben«, fügte Mo hinzu.
    »Richtig«, ergänzte Ol, »er wurde ja schon damals von einer unterirdischen Quelle gespeist. Das scheint heute nicht anders zu sein. Zum Glück für uns. Na, dann wollen wir uns mal häuslich einrichten.«
    Die drei machten sich mit frischem Mut ans Werk. Während Viola die Fenster säuberte und das Gesträuch beiseite bog, damit sie mehr Licht bekamen, sammelte Ol Holz und machte Feuer. Mo aber brach zum Angeln auf. Da er geschickt und die Fische arglos waren, fiel es ihm nicht schwer, mit einem angespitzten Stock schon bald ein großes karpfenähnliches Exemplar zu erjagen.
    In den nächsten Tagen hatten sie reichlich zu tun. Sie brachten das Haus vom Keller bis zum Dach auf Vordermann, sammelten Beeren, Pilze und eine körnerartige Frucht, die sich zu Mehl zermahlen ließ. Mo fand in der Abstellkammer kräftiges Kunststoffgarn, aus dem er ein Netz für den Fischfang knüpfte, und Ol reparierte das Schloß an der Tür, das sie zerbrochen hatten.
    Bei derlei Beschäftigung wurde ihnen die Zeit nicht lang, doch sie mußten immer wieder an früher denken. Viola und Ol sehnten sich nach Vi, Mo vermißte den Bruder. Würden sie je zu den beiden zurückkehren können? Sie wußten es nicht.
    Eines Tages, sie überlegten gerade, was sie zum Mittagessen machen sollten, hörten sie ein sonderbar sirrendes Geräusch vor dem Haus und dann im Flur. Es war, als sei jemand durch die geschlossene Tür hereingekommen. Ol nahm die Sache zunächst nicht ernst.
    »Ihr sollt nicht immer so hastig die Treppen hinabspringen«, sagte er, »da klirren ja sämtliche Lampen.«
    Viola wollte gerade erklären, daß keiner von ihnen auf der Treppe gewesen war, als sie erschrak. Etwas Flirrendes bewegte sich an der Tür, danach am Fenster, dann am Kamin. Sie stürzte zu ihrem Vater, preßte sich an ihn.
    »Ein Geist«, rief sie, »im Haus ist ein Geist!« Und wirklich schälte sich aus dem Schatten am Kamin eine flimmernde Gestalt, nahm die Formen einer Frau an.
    Mo war gleichfalls erschrocken, zumal plötzlich am Tisch ein zweiter Geist stand. Das aber war eindeutig ein männliches Wesen, genauer gesagt, ein Junge, nicht viel größer als er selbst.
    »Erkennt ihr uns denn nicht?«

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