Die Risikoluege
ging es mir bei meiner Beratung vor allem darum, den Unternehmen klarzumachen, dass es weniger auf permanentes Informieren als viel mehr auf stete Kommunikation ankomme, dass der Dialog mit der Öffentlichkeit dauerhaft geführt werden muss, wenn er glaubhaft sein soll. Nur Kontinuität schafft allmählich Vertrauen.
Und hierin ist vor allem das Erfolgsgeheimnis von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen wie Greenpeace und Amnesty International, von Ärzte ohne Grenzen, Tierschutzorganisationen und auch der Partei der Grünen zu sehen, dass ihre Engagements für die von ihnen vertretene Sache kontinuierlich sind. Und diese Kontinuität ist es, die mit Recht von weiten Kreisen der Bevölkerung als ernstes Anliegen gewertet und deshalb mit Vertrauen belohnt wird.
Während der akuten Phase der Tschernobyl-Katastrophe war das die Kernenergiewirtschaft fördernde Deutsche Atomforum in Ermangelung anderer Informationsquellen – es gab noch kein Internet – der wichtigste Informationsgeber für Politik, Presse und damit der Öffentlichkeit. Dies fand ich nicht gut und habe deshalb versucht, Wirtschaftsunternehmen und Industrieverbände für die Schaffung eines unabhängigen, von Staat und Wirtschaft in Form einer Stiftung gemeinsam getragenen Informationszentrums für Risikofragen zu gewinnen. Seine Tätigkeit sollte sowohl in der Erhebung, Speicherung und Bewertung von Risikodaten, als auch und vor allem in ihrer Umsetzung und Vermittlung an die Öffentlichkeit bestehen. Damit die Menschen Risiken besser verstehen und einordnen lernen, und Politik und Wirtschaft auch die Probleme und Ängste der Menschen verstehen, die sie vertreten.
Heute gibt es für das Sammeln und Interpretieren von Risikodaten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Aber nach wie vor ist es leichter, Risikoexperten zu finden als Kommunikationsfachleute, die in der Lage sind, Risiken, Zwischenfälle mit Technik und Katastrophen, für Laien in Rundfunk und Fernsehen so darzustellen, dass sie jedermann verständlich werden. Und dazu muss man die Kunst beherrschen, Kompliziertes einfach zu erklären. Damals dachte ich für eine solche Aufgabe an Persönlichkeiten wie Heinz Haber, Joachim Bublath oder Jean Pütz. Also an Leute, die Laien etwas erklären können, nicht aber ihnen etwas verkaufen wollen. Heute kämen dafür wohl Ranga Yogeshwar oder Günter Jauch infrage.
Einige meiner Projekte wurden von den Industrien zunächst engagiert angegangen, dann aber allmählich wieder
aufgegeben. Überrascht hat mich dies nicht, wusste ich doch, dass nach einer Katastrophe zunächst auf allen Seiten rege Betriebsamkeit herrscht, die mit der Zeit dann aber deutlich nachlässt. Wie schnell das geschieht, hängt davon ab, was sonst noch passiert. Die Katastrophe gerät aus dem Fokus, andere Ereignisse treten an ihre Stelle. In Tschernobyl war es akut nicht so schlimm gekommen, wie man befürchtet hatte, und die laufenden Auseinandersetzungen und Kontroversen mit Industriegegnern und Umweltaktivisten wurden durchgestanden. Warum also durch überflüssige Kommunikation schlafende Hunde wecken?
In den Industrien sind Verhaltensänderungen gegenüber der Öffentlichkeit immer nur unter Druck von außen oder dem Eindruck schlechter Ereignisse zu erwarten, die guten Absichten ändern sich, sobald der Druck nachlässt. Jedenfalls war von der großen gemeinsamen Anstrengung, vom umfassenden Dialog mit der Öffentlichkeit, den man sich nach Tschernobyl und Schweizerhalle in den Unternehmen und Verbänden vorgenommen hatte, schon bald keine Rede mehr. Dies war zu Beginn der 1990er-Jahre, geändert hat sich an diesem Unternehmensverhalten seitdem nicht viel.
Fukushima unterscheidet sich von Tschernobyl insofern, als die japanische Katastrophe in eine Zeit fiel, in der wichtige andere Ereignisse – die Volksaufstände in der arabischen Welt, der Tod von Bin Laden, die Eurokrise, der drohende Bankrott Griechenlands, der Libyenkrieg, Jugendaufstände in europäischen Großstädten – hinzukamen, welche die Medien und die Öffentlichkeit beschäftigten und die momentane Aufmerksamkeit von der Katastrophe auf andere Themen abzog.
Wäre Fukushima mit der Plagiatsaffäre Guttenberg zusammengefallen, hätte der Mann seinen Job vermutlich heute noch. Schon ein halbes Jahr später war Fukushima kein großes Thema mehr. Und das Moratorium und die Einsetzung einer Ethik- und Reaktorsicherheits-Kommission erweckte in der Bevölkerung den Eindruck, dass etwas zu ihrem
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