Die Risikoluege
als verständlich – auch wenn die Wortwahl vielleicht gewöhnungsbedürftig ist – , beschleicht uns doch ein ungutes Gefühl, wenn wir an die Fähigkeit von
Politikern und die Redlichkeit der Manager in Banken und Großkonzernen denken, und erfasst uns Angst, wenn wir uns gleichzeitig die Industrieunglücke und humanitären Katastrophen vor Augen führen, über die uns die Medien beinahe laufend unterrichten. Und irgendwann kommt vermutlich in jedem von uns der Gedanke auf, dass auch wir eines Tages ähnliche Katastrophen erleben könnten. Und wir fragen uns, was wohl als Nächstes aus der Büchse der Pandora kommen wird, und was uns korrupte Banker und skrupellose Wirtschaftsbosse noch alles bescheren werden.
Deshalb sollten wir auch gar nicht mehr groß darüber nachdenken, sondern uns lieber fragen, wie lange wir das alles noch stillschweigend hinnehmen wollen. Ich jedenfalls bin es leid, stillzuhalten und zu schweigen.
Raus aus dem Dickicht der Lügen!, lautet deshalb mein Appell an diejenigen, die in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und Politik verantwortlich für uns handeln. Darin sehe ich die einzige Möglichkeit, die Vertrauenskrise zu beenden, die bei uns zum Dauerzustand geworden ist. Die Glaubwürdigkeit derer, die Verantwortung tragen, kann nur zurückgewonnen werden, wenn das, was sie sagen, und das, was sie tun, auch wieder übereinstimmen.
Hört also endlich auf, rufe ich ihnen zu, uns zu eurem Nutzen zu belügen und betrügen!
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Aufrechterhaltung unseres heutigen hohen Lebensstandards und die Lösung und Bewältigung der enormen weltweit anstehenden Zukunftsprobleme ohne innovative Technologien und neue Techniken nicht realisierbar ist. Noch mehr
aber bin ich davon überzeugt, dass wir nun einen Punkt erreicht haben, wo in bestimmten Technologien der Nutzen für die Gegenwart den Schaden für die Zukunft nicht mehr rechtfertigen kann und darf.
Dies glaube ich umso mehr, als es mir die Skandale, die in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft, Politik und Publizistik beinahe täglich aufgedeckt werden, nicht mehr möglich machen, an die Moral derer zu glauben, die Verantwortung für uns tragen. Denn wo sind sie, frage ich, die Wirtschaftsbosse und Banker, die ihren Anstand noch nicht verloren haben, die es noch ehrlich mit uns meinen, die uns auf unsere Fragen ehrliche Antworten geben? Ich jedenfalls sehe sie nicht!
Nach beinahe 30-jähriger gesellschaftspolitischer Kommunikationsarbeit habe ich in entscheidenden Fragen technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen für mich eine Meinungskorrektur vorgenommen und glaube, dass jeder kritisch Denkende, der sich mit Technik und ihren Folgewirkungen über längere Zeit intensiv und kritisch auseinandersetzt, zum selben Ergebnis kommen muss. Die meisten Dinge verlieren nun einmal im Laufe des Lebens ihre Unschuld.
Dies zu erkennen ist nie zu spät!
Wenn ich an die Zwischenfälle und Katastrophen denke, die es in den Industrien in den letzten drei Jahrzehnten gegeben hat und die bei mir schließlich zu diesem Umdenken geführt haben, so geht es mir nicht nur um die Risiken für unser heutiges Leben, es geht mir ganz wesentlich auch um die Zukunft.
Keinen Sinn aber hat es, immer nur über das zu lamentieren, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde. Denn wenn heute falsch ist, was gestern richtig war – ich
denke an den Beginn der friedlichen Nutzung der Kernenergie Mitte der 1950er-Jahre –, so zeigt dies doch auch, dass wir immer nur das tun können, was zu gegebener Zeit für richtig erkannt wurde und möglich war. Dass man Probleme nicht lösen kann, bevor man sie entdeckt hat. Und dass es eigentlich sinnvoll ist, wenn sich die technischen, aber auch die gesellschaftlichen Antworten – ich denke an den nun beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie – mit den Fragestellungen ändern.
Viele, wenn nicht die meisten unserer heutigen Probleme sind Quantitätsprobleme, sowohl was die Menge als auch was die Geschwindigkeit anbelangt. Wir sind einfach zu viele geworden und mussten und müssen die technischen Entwicklungen zu rasch vorantreiben. Die Massen schaffen neue Dimensionen. Dramatisch sind die Probleme vor allem in den Ländern, in denen die Möglichkeiten, aus eigener Kraft Zukunft zu gestalten, begrenzt, wenn überhaupt noch vorhanden sind.
Aber auch wir in den wohlhabenden Industrienationen sehen, wie die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, wie Millionen
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