Die Ritter des Nordens
und machte es reisefertig. Als dann im Osten die Sonne über den Hügeln aufging, nahmen wir die Verfolgung der Männer auf, die uns dies angetan hatten.
Inzwischen senkten sich jedoch bereits die ersten Vorboten der Abenddämmerung über das Land, und wir wussten immer noch nicht, wo die Männer sich mit unseren Frauen aufhielten. Wir waren ihnen durch kurvenreiche Täler gefolgt, durch Wälder, deren Unterholz so dicht war, dass wir die Spur der Entführer zu verlieren drohten. Inzwischen waren wir schon tief in das Feindesland eingedrungen. Ich kannte weder die Hügel ringsum noch die Windungen des Flusses, dem wir folgten, und das galt gewiss auch für die Männer aus dem Dorf, die sich mir angeschlossen hatten, da war ich mir sicher. Wahrscheinlich waren die meisten von ihnen in ihrem ganzen Leben noch nie so weit von zu Hause fort gewesen.
»Die sind doch längst weg«, brummte Serlo, der neben mir ritt. »Bald wird es dunkel, und dann finden wir sie ohnehin nicht mehr.«
Er war der loyalste der drei jungen Ritter, die zusammen mit mir auf dem Gutshof wohnten: bärenstark, mit kräftigen Armen und einem ungestümen Temperament. Auch wenn er nicht gerade der Schnellste war – weder körperlich noch geistig –, kamen ihm an Kraft nur wenige gleich; deshalb war es stets beruhigend, ihn im Kampf neben sich zu wissen.
Ich sah ihn an, ohne die anderen zu vergessen, die unmittelbar hinter uns gingen: ein gutes Dutzend Männer und Knaben, die völlig auf uns angewiesen waren und die um die Ehre, wenn nicht gar das Leben ihrer Frauen und Schwestern fürchten mussten, wenn wir den Feind entkommen ließen.
»Keine Sorge, wir finden sie schon«, entgegnete ich. »Wir sind doch nicht den ganzen Tag hinter diesen Hurensöhnen hergeritten, um jetzt einfach aufzugeben.«
Ich versuchte meiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben, obwohl ich meine Zweifel hatte. Wir hatten den ganzen Tag – der bisher heißeste des Sommers – nicht ein einziges Mal angehalten und waren ununterbrochen geritten beziehungsweise marschiert. Trotzdem hatte ich keine Ahnung, wie weit wir noch von den Entführern entfernt waren oder ob sie uns längst abgehängt hatten.
Trotz der fortgeschrittenen Tageszeit war die Sonne noch sehr warm, und in der schwülen Luft schien sich ein Gewitter zusammenzubrauen. Meine Schultern schmerzten unter dem Gewicht des Kettenpanzers, der schwer wie Blei auf mir lastete. Schon am Morgen, als wir das Gut gerade erst eine Meile hinter uns gelassen hatten, hatte ich bereut, ihn überhaupt angelegt zu haben, und wollte schon umkehren. Doch das hätte nur dem Feind genützt, und so hatte ich das schwere Hemd anbehalten. Ich war schweißgebadet, das Gambeson und der Waffenrock klebten mir am Leib. Wann immer wir stehen blieben, um auf die Männer zu warten, die hinter uns hermarschierten, musste ich die Fliegen verscheuchen, die mich hartnäckig verfolgten.
Dann fiel mein Blick auf Ædda, meinen kräftig gebauten Stallmeister, der ungefähr zwanzig Schritte weiter vorne am Boden kauerte. In ganz Earnford, vielleicht sogar in den gesamten Walisischen Marken – dem Grenzgebiet zwischen England und Wales –, gab es keinen besseren Fährtenleser. Ich vertraute ihm völlig. Er lebte schon länger in der Gegend als die meisten anderen Dorfbewohner und war der Einzige, der wusste, wo genau wir uns gerade befanden. Wenigstens hoffte ich das.
Aber nicht nur ich selbst, auch die Männer aus dem Dorf schienen sich ernsthaft Sorgen zu machen. Ich verstand zwar kaum ein Wort ihrer Sprache, doch die müden Blicke, mit denen sie vor sich auf den Boden starrten, sagten alles. Dazu kam noch das hartnäckige Schweigen, das sie an den Tag legten, während sie sich Meile für Meile dahinschleppten.
»Mylord«, rief Ædda. Er kniete am Boden und winkte mich heran.
Ich sah ihn fragend an. Falls er die Spur verloren hatte, würde uns nichts anderes übrigbleiben, als umzukehren. Im ersten Augenblick war ich fast erleichtert, doch dann schämte ich mich geradezu, dass ich so etwas überhaupt denken konnte. Falls wir ohne die Frauen nach Hause zurückkämen, würden die Leute dort sofort jenen Respekt vor mir verlieren, den ich mir so mühsam erworben hatte. Außerdem hatte ich versprochen, sie zu finden. Das war möglicherweise nicht sehr klug gewesen, aber jetzt nicht mehr zu ändern, und an dieses Versprechen war ich gebunden.
»Was gibt es?«, fragte ich. Als ich vom Pferd stieg, versank ich mit den Stiefeln tief im
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