Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)

und der alte Mann in seinem Kampf gegen sie seine Harpune verliert und dann sein Messer, und selbst als er den Kiel seines Bootes herausreißt, um ihn als Knüppel zu benutzen, 401 und selbst als es ihm nicht gelingt, das Fleisch des Fisches zu retten, und der Kampf ihn so geschwächt hat, dass er beinahe selbst verloren ist, und selbst, als er es endlich zurück an die Küste schafft und von dem Fisch nur noch das Skelett übrig ist, nimmt er es hin und geht, beinahe dankbar, zu Bett.
    Weil Sie, wenn Sie in die simple, beruhigende Sprache dieser Erzählung eintauchen, ebenfalls in der Lage sein werden, Ihre Gefühle zu beherrschen. Sie werden neben dem alten Mann in seinem Boot sitzen, seine Liebe für den Jungen, für das Meer, für den Fisch spüren – und es wird Sie mit Frieden erfüllen und mit dem Gefühl der Akzeptanz für das, was ist, so dass es keinen Platz mehr gibt für das, was war oder was Sie selbst sein wollen. Manchmal lassen wir alle uns zu weit forttreiben, was jedoch nicht bedeutet, dass wir nicht wieder zurückrudern können. Und so wie die Vision der Löwen am Strand den alten Mann glücklich macht, so können auch Sie Ihre Vision haben – vielleicht von einem alten Mann und wie es ihm gelingt, seiner Gefühle Herr zu werden. Auch nachdem Sie es gelesen haben, werden Sie sich dieses Buch ins Regal stellen wollen, irgendwohin, wo Sie es sehen können, wenn Sie wütend sind. Und Sie werden sich an den alten Mann erinnern, an das Meer, an den Fisch, und es wird Sie beruhigen.
    ▶ Fahrstil, aggressiver

402 Z

Zahnschmerzen
    Anna Karenina
Lew Tolstoj
    Wenn Sie unter Zahnschmerzen leiden – eine Qual, die deshalb so perfide ist, weil sie im Kopf sitzt –, dann werden Sie mit Wronski in Lew Tolstojs Anna Karenina mitfühlen: »Der bohrende Schmerz in dem kräftigen Zahn füllte ihm den Mund mit Speichel und hinderte ihn am Sprechen. Er verstummte und blickte auf die Räder des langsam und glatt über die Schienen rollenden Tenders.«
    Doch im nächsten Moment lässt ein sengender innerer Schmerz Wronski sein körperliches Leiden vergessen. Beim Anblick der Schienen erinnert er sich plötzlich an sie , oder besser, an das, was von ihr noch übrig war, als er ihren schlaffen, blutbeschmierten Körper auf dem Tisch in der Arbeiterbarracke der Bahnstation liegen sah, umringt von Fremden, den Kopf durch das Gewicht ihres Haars in den Nacken geworfen, und »auf dem schönen Gesicht mit dem halb geöffneten roten Mund ein erstarrter, seltsamer Ausdruck, traurig um die Lippen und furchtbar in den offengebliebenen Augen, der die entsetzlichen Worte zu wiederholen schien, die sie ihm bei dem letzten Streit zugerufen hatte – daß er es bereuen werde«.
    Wenn die Vorstellung von Annas leblosem Körper es nicht geschafft hat, denken Sie an ein anderes schockierendes Bild aus der Literatur (für unsere persönlichen Favoriten siehe ▶ Schluckauf ) und meditieren Sie darüber, während Sie Ihren Zahnarzt anrufen.
    ▶ Schmerzen 403

Zeh; ihn sich anstoßen
    Ein Porträt des Künstlers als junger Mann
James Joyce
    Der Schmerz eines angestoßenen Zehs muss ausgehalten werden; da gibt es keine Linderung. Zum Glück ist ein solcher Schmerz, ebenso wie ein Schlag auf die Nase, nur von kurzer Dauer. Im Normalfall reichen ein paar beherzte Flüche, um ihn zu zähmen.
    Um öffentliche Erregung und Peinlichkeiten zu vermeiden, empfehlen wir dringend, sich mit dem literarischen Äquivalent zu einem beherzten Fluch zu wappnen, mit einem Zitat, das einem leicht über die Lippen kommt und das einen guten Rhythmus hat, einprägsam und alliterierend ist, beschwörend, musikalisch und ablenkend – will sagen: mit dem ersten Absatz von Ein Porträt des Künstlers als junger Mann , James Joyce' zugänglichstem Roman. Wir stellen Ihnen an dieser Stelle nur die allerersten Worte zur Verfügung, denn sollte dieses Buch nicht längst in Ihrem Besitz sein, müssen Sie es sich jetzt umgehend besorgen, um die ersten sieben Zeilen auswendig zu lernen. Wenn Sie sich das nächste Mal den Zeh anstoßen, rufen Sie also aus:
    »Es war einmal vor langer Zeit und das war eine sehr gute Zeit da war eine Muhkuh die kam die Straße herunter gegangen und diese Muhkuh die da die Straße herunter gegangen kam die traf einen sönen tleinen Tnaben und der hieß Tuckuck-Baby …«
    Danach lesen Sie auch noch den Rest dieses erbaulichen Romans, werden zusammen mit Stephen klüger und wissen dann, wie man die Hindernisse des Lebens am besten