Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
aufgezogen, Tarzan in der Romanserie von Edgar Rice Burroughs von Affen. Ein Hauch von Romantik scheint diese verlorenen und geretteten Kinder zu umgeben – und wer von uns hat früher nicht nach einem Streit mit seinen Eltern mal mit dem Gedanken gespielt, womöglich gar nicht ihr leibliches Kind zu sein? Adoptivkinder haben auch ihren Weg in die Erwachsenenliteratur gefunden, wie Heathcliff in Sturmhöhe , der die feine Balance seiner Adoptivfamilie ins Wanken bringt, oder ›Wart‹ in Der König auf Camelot von T. H. White, eine der wenigen Erfolgsgeschichten in diesem Bereich: ein Adoptivjunge, der sich als König Artus entpuppen wird.
In Wirklichkeit ist eine Adoption wenig romantisch und meist schwierig für alle Beteiligten – für die leiblichen Eltern, die beschließen, ihr Kind fortzugeben; für das Kind, das dies 18 auf nicht ganz ideale Weise herausfindet; für das Kind, das seinen Adoptiveltern deren Unsicherheit übelnimmt und sich unter Umständen auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern macht und enttäuscht wird; und für die Adoptiveltern, die entscheiden müssen, wann sie ihrem Kind erklären, dass es ›etwas Besonderes‹ ist. Die ganze Angelegenheit steckt voller Fallgruben – aber auch voller Liebe. Zudem kann eine Adoption das Ende unfreiwilliger Kinderlosigkeit bedeuten, und alle Beteiligten tun gut daran, sich mit der Komplexität ihrer Situation auseinanderzusetzen, und zwar mithilfe derer, die das Ganze bereits durchgemacht haben.
Eine der bezauberndsten Geschichten, die in letzter Zeit über Adoptivkinder geschrieben wurden, ist Ann Pattchets Roman Familienangelegenheiten . Doyle, der ehemalige Bürgermeister von Boston, hat drei Söhne: Sullivan, Teddy und Tip – der eine ein echter Rotschopf, die anderen beiden schwarz, sportlich und groß. Doyles rothaarige Frau Bernadette, Sullivans Mutter, ist tot. Teddys und Tips leibliche Mutter beobachtet aus der Ferne, wie ihre Söhne aufwachsen, weiß von ihren Erfolgen und Niederlagen, ihren Freundschaften und Rivalitäten und wacht über sie wie ein Schutzengel.
Als die elfjährige Kenya plötzlich in den Doyle-Haushalt einzieht, bekommen die Dynamiken in der Familie eine neue Richtung. Teddy und Tip scheinen ihren Weg zu machen, der eine als Wissenschaftler, der andere als angehender Priester. Ihr älterer Bruder Sullivan ist seit einiger Zeit in Afrika und versucht dort, die Menschen in ihrem Kampf gegen AIDS zu unterstützen und zugleich vor einem entsetzlichen Ereignis in der Vergangenheit zu fliehen. Doch erst Kenyas Gegenwart lässt die Geschichte der unterschiedlichen Herkunft der Brüder ans Licht treten, und es ist Kenyas einfacher, aber überwältigender Drang zu laufen – von Patchett wundervoll dargestellt, wenn sie schreibt: »[S]ie war eine übermenschliche Kraft außerhalb der Naturgesetze. Die Gesetze der Schwerkraft hatten keine Gültigkeit für sie« –, der sie alle zusammenführt. Die Botschaft ist klar und kommt ganz unsentimental daher: Blut ist wichtig, aber Liebe ist wichtiger. 19
Neil Gaimans Graveyard-Buch zeigt uns, dass selbst die unkonventionellsten Eltern gute Adoptiveltern sein können: Ein kleiner Junge klettert eines Nachts aus seinem Gitterbettchen und schlägt so dem Tod ein Schnippchen, denn während der Knirps auf Entdeckungsreise geht, ermordet der »Mann namens Jack« seine Familie. Der Spaziergang führt den Jungen auf den nahe gelegenen Friedhof, wo er von zwei Geistern adoptiert wird. Mr. und Mrs. Owens, die in ihrem Leben keine Kinder bekommen konnten, nehmen sich des kleinen Jungen an. Sie geben ihm den Namen »Nobody«, aber alle nennen ihn Bod. Im Laufe seiner exzentrischen Kindheit lernt Bod so ungewöhnliche Dinge wie sich unsichtbar zu machen, durch Wände zu gehen und zu schlafwandeln – was sich später noch als äußerst nützlich erweisen wird.
Bods Geistereltern leisten ganze Arbeit. »Du lebst, Bod. Das heißt, du hast unendliche Möglichkeiten. Du kannst alles anfangen, alles tun, alles erträumen. Wenn du die Welt veränderst, dann verändert sich die Welt.« Ihre Weisheit gibt Bod die Kraft, sein Leben voll und ganz auszukosten, trotz der tragischen Ereignisse in seiner frühen Kindheit.
Eine Adoption ist und bleibt eine schwierige Angelegenheit. Doch wenn man ehrlich zueinander ist, haben alle Beteiligten die Chance, herauszufinden, wer sie sind und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Egal welche Rolle Sie dabei spielen – diese Geschichten werden Ihnen
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