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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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    Der Kaffee war dünn, und das feuchtweiche Käsebrötchen mußte seit Tagen im Kühlschrank gelegen haben. Ich riß es in Brocken und spülte mit Kaffee nach. Die klebrige Theke roch nach Bier. Zwei Meter neben mir döste ein zerknitterter Mann über seinem Korn. Von Zeit zu Zeit schnupfte er in ein Taschentuch und wischte sich dann damit Stirn und Mund ab. Er starrte auf den gerahmten Spruch über der Spüle:
    ABENDS PAAR BIER, DIE TRINKEN WIR - MORGENS‚ NEN SCHNAPS, WEG IST DIE KATZ.
    Neben ihm lag der Sportteil der Zeitung. Ich lehnte mich zu ihm rüber.
    »Wie hat Gladbach gespielt?«
    »Zwei Null verloren«, murmelte er, ohne aufzusehen. Ich klopfte auf die Theke.
    »Noch einen Kaffee. Bißchen stärker.«
    Die Wirtin schob sich durch den braunen Kettenvorhang, nahm die Tasse und brachte sie gefüllt zurück. Ihr üppiger Busen steckte in einem Ballkleid, Arme und Kopf quollen hervor wie Würste. Über den Hintern hatte sie sich eine lila Satinschleife gebunden, und an den Armen klapperten Goldimitationen. Das Haar war in Silber getunkt. Hertha war die Besitzerin von HERTHAS ECKE - Rund-um-die-Uhr-geöffnet. Die Ecke war groß, leer und düster. Eine Neonröhre hing über den verstaubten Flaschen der Bar. An die schmutzigen Fenster schlug Regen.
    In der Ecke stand der Stammtisch mit schmiedeeisernem Emblem, eine Wildsau mit Bierkrug. Hertha wusch Gläser ab. Eine Fliege setzte sich auf das angerissene Brötchen. Ich zündete mir eine Zigarette an und blies Rauchringe um die Fliege. So früh am Morgen verging die Zeit langsam. Es war halb neun. In einer halben Stunde mußte ich auf dem Gericht sein. Ich ging zur Toilette. Die Schüssel war zerbrochen, und beim Spülen lief Wasser über den Boden. Als ich zurückkam, spielte das Radio.
    »Ach Schnucki, ach Schnucki, ach fahrn wir nach Kentucky…« Hertha wiegte die Hüften im Rhythmus. Der Mann rotzte in sein Taschentuch, nahm dann das Glas mit beiden Händen und kippte den Schnaps mit einem Ruck hinunter. Mit Schwung knallte er es zurück auf die Theke.
    »Hertha! Noch einen.«
    »Laß man Karl. Hass genuch.«
    Karl fummelte einen zerknüllten Fünfzigmarkschein hervor.
    »Kann ich etwa nich zahlen, hää?! Kann ich etwa nich?«
    »Steck dein Geld ein.«
    Hertha stellte die abgewaschenen Gläser ins Regal. Karl zündete sich eine Zigarette an. Nach einer Weile sah er zu mir herüber.
    »Gladbach, ja?«
    Ich nickte. Er musterte mich von oben bis unten. Dann drehte er sich um und brummte: »Wir sinn hier in Frankfurt.«
    Das Radio spielte jetzt »Wenn die Heidi mit dem Hans, tam, tam tam«. - Ich holte mir die Zeitung vom Haken.
    ›PROZESSBEGINN IN FRANKFURT MIT WEITREICHENDEN SICHERHEITSMASSNAHMEN. Der Prozeß gegen vier Mitglieder der ÖKOLOGISCHEN FRONT beginnt unter Ausschluß der Öffentlichkeit.‹
    Die Uhr zeigte Viertel vor neun. Ich zahlte und ging.
    Vor HERTHAS ECKE trieb der Wind den Regen quer über die Straße. Herbst. Ich zog meinen Hut in die Stirn, vergrub die Hände in den Manteltaschen und drückte mich die Häuserwand entlang. An der Straßenecke peitschten mir die Schauer ins Gesicht. In den Schuhen begann das Wasser zu knatschen. Alles grau. Nur ein paar Neonreklamen unterbrachen die nasse Betonöde. Leere Dosen, Milchtüten, Zigarettenkippen, lauter Müll wurde durch den Rinnstein gespült und blieb auf dem Gulli liegen. Hundescheiße sabberte über den Bürgersteig. Leute mit Regenschirmen rannten an mir vorbei. In den Hauseingängen tratschten Frauen und warteten, daß der Regen nachließ. Langsam kroch die Nässe durch den Mantel. Ein Taxi spritzte mir Wasserlachen über die Hose. Ich lief weiter, glitschte über Pappkartons und Gemüseabfälle und rannte endlich die Treppe zum Gericht hoch. Die Tür fiel zu. Wie ein undichter Eimer zog ich meine Spur über den Steinfußboden.
    »Halt!«
    Zwei Bullen versperrten den Weg. Ich kramte meine Lizenz für Privatermittlungen raus.
    »Bin mit Herrn Doktor Anastas verabredet.«
    »Kenn wir nicht.«
    »Der Anwalt der Angeklagten.«
    »Mhm.«
    Eine Patrouille schritt mit vorgehaltenen MPs die Halle ab. Der Bulle sah von meiner Lizenz auf.
    »Ihren Ausweis.«
    Ich zeigte ihn ihm. Der andere kratzte sich übers Kinn, nahm sein Funkgerät und gab meine Ausweisnummer durch. Als das ›alles klar‹ zurückkam, mußte ich die Beine breit machen. Sie fanden nichts. »Treppe hoch, zweite Tür links!« wiesen sie mich an. Ein Haufen Journalisten lungerte im Warteraum herum. Es roch nach kaltem Rauch

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