Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
stand weit offen, aber es gab dort ebenfalls Wachen, die Khardan überheblich über alles mögliche ausfragten, vom Stammbaum seiner Pferde bis hin zu seinem eigenen. In diesem Augenblick hätte der Kalif sich fast vergessen, und nur wegen der Hand, die sein jüngerer Bruder ihm warnend auf den Arm legte, hatte sich Khardan buchstäblich auf die Zunge gebissen, um die unflätigen Worte zurückzuhalten.
Schließlich ließen die unfreundlichen Wachen sie passieren. Sie traten in den kühlen Schatten der Kasbah. Achmed stolperte über die Pflastersteine, als er sich den Hals schmerzhaft verrenkte, um das gigantische Schwert zu betrachten. Khardan schritt darunter hinweg, ohne es eines Blickes zu würdigen. Er starrte grimmig, entschlossen und finster vor unterdrücktem Ärger vor sich hin.
Der Tagespreis für Pferde ging in die Höhe.
3
»Der Nomade und seine Männer sind in der Stadt eingetroffen, o König.«
»Sehr gut. Benachrichtige den Imam.«
Mit einer tiefen Verbeugung, die Hände ineinander gefaltet, zog sich der Diener leise zurück und trat rückwärts aus dem Audienzsaal. Der Emir warf einen Blick auf den Hauptmann der Wache, der sich in der Nähe des Throns aufhielt.
Er war nicht nur der zweite Kommandant, sondern auch der oberste Wesir. Früher hatten Bürger der Stadt die Ministerposten und auch diese hohe Position inne gehabt, aber nun stand Kich unter Militärherrschaft. Der Emir betrachtete sich in erster Linie als General und erst in zweiter Linie als unfreiwilliger König.
Emir Abul Kasim Kannadi traute Zivilisten nicht über den Weg. Den letzten Wesir hatte das gleiche Schicksal wie den Sultan getroffen. Ihm wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, von den Felsen gestürzt zu werden, noch während die Schreie seines geliebten Herrschers zwischen dem zerklüfteten Gestein unter ihm verhallten. Sofort als Kannadi die Stadt übernahm, ersetzte er das ganze Zivilpersonal durch seine eigenen Männer. Als praktisch denkender Soldat hätte der Emir auch gleich die kleineren Beamten beseitigt oder wenigstens in den Kerker geworfen, aber der Imam Feisal hatte sich kraft seiner religiösen Autorität gegen das unnötige Blutvergießen verwahrt.
Feisal hatte darauf bestanden, daß die niederen Beamten wählen durften: Quar in diesem Leben oder ihrem früheren Gott im Tode zu dienen. Es ist wohl nicht nötig zu erwähnen, daß sie alle eine plötzliche, religiöse Wandlung durchmachten. Sie durften weiterleben, wurden jedoch ihrer Ämter enthoben. Einige wenige, die als treue Gefolgsleute des Sultans bekannt waren, fielen später Unglücksfällen zum Opfer. Angeblich wurden sie von Anhängern Benarios überfallen und zu Tode geprügelt. Berichte, aus denen hervorging, daß jene Anhänger Benarios die Uniform des Emirs unter den schwarzen Umhängen trugen, wurden sogleich unterdrückt.
Der Emir zeigte sich betrübt, wenn sich die Angehörigen dieser Männer bei ihm beklagten. Kannadi drückte sein tiefes Beileid aus, wies jedoch derlei Gerüchte zurück und speiste die Bittsteller mit dem Hinweis ab, sie sollten Quar dankbar sein, denn Kich befände sich nun in starken Händen, die Recht und Ordnung wiederherstellten und rechtschaffenen Bürgern Sicherheit gewährleisteten. Der Imam schien noch tiefer betrübt und tröstete die Verwandten mit der Versicherung, daß ihre verstorbenen Vater, Ehemänner oder Brüder den wahren Glauben gefunden hätten, bevor sie diese Welt verließen.
Welche Worte in der privaten Unterredung zwischen Feisal, dem Imam, und Kannadi, dem Emir, über diese Angelegenheit fielen, wurde nicht bekannt. Aufmerksame Hofbeobachter bemerkten jedoch, daß das Gesicht des Emirs am nächsten Tag weiß vor Wut war und er den Tempel mied, während der Imam ausgiebig zu leiden schien und sich als Märtyrer gebar. Gerüchten zufolge wurde der Streit zwischen den beiden von Kannadis Hauptfrau Yamina geschlichtet, einer Zauberin, die über große Fähigkeiten und Macht verfügte und zudem ausgesprochen religiös und fromm war.
Es handelte sich hierbei lediglich um Klatsch und Vermutungen. Doch in einem war man sich sicher: Als Folge dieses Vorfalls übergab der Emir die Herrschaft über die Stadt an Feisal und Yamina.
Eine glückliche Lösung für alle Beteiligten, wie sich bald herausstellte. Der Emir, der die leidige bürokratische Seite der täglichen Staatsgeschäfte haßte, war nunmehr in der Lage, seine ungeteilte Aufmerksamkeit darauf zu richten, den Krieg nach Süden hin
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