Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
dort.«
Um seinen Bruder abzulenken, der drohend hinter dem Eselreiter herstarrte, deutete Khardan auf ein achteckiges Steingebäude, das zu ihrer Linken gegenüber der Kasbah-Mauer aufragte.
»Das muß der neue Tempel sein, den sie Quar zu Ehren gebaut haben«, murmelte Khardan grimmig und betrachtete mit Mißfallen den goldenen Widderkopf, der über dem Eingang prangte. »Und da drüben«, er wies auf ein riesiges Minarett, »der Todesturm.«
»Warum wird er so genannt?«
»Dort bestrafen sie die abgeurteilten Verbrecher. Der Verurteilte wird an Händen und Füßen gefesselt und in einen Sack gesteckt. Dann schleppt man ihn auf die Turmspitze und schleudert ihn lebend über die Brüstung. Er stürzt auf die Straße hinunter, und dort bleibt dann sein Körper unbegraben liegen – als Warnung für alle, die das Gesetz brechen.«
Achmed starrte auf den Todesturm. »Meinst du, wir bekommen so etwas zu sehen?«
Khardan zuckte mit den Schultern und grinste. »Wer weiß? Wir sind schließlich einen ganzen Tag hier.«
»Wohin gehen wir jetzt? Wollten wir denn nicht in den Palast?« erkundigte sich Achmed verwirrt, als er merkte, daß sie sich davon abwandten.
»Wir müssen ihn durch das Hauptportal betreten, und das befindet sich quer durch die Stadt auf der anderen Seite dieser Mauer. Um dorthin zu gelangen, müssen wir durch die Basare.«
Achmeds Augen glänzten vor Freude. »Ich will alles sehen!« rief er begeistert. Er zog überrascht die Luft ein, griff Khardan am Arm und deutete nach vorn: »Wer ist das?«
Ein Mann schritt mit erhabener Ruhe durch das Chaos und den Tumult, der ihn umtoste wie die Brandung einen Ifrit – ein Mann, der sogar den Glanz der Sonne überstrahlte. Sein hellgelbes Samtgewand war völlig mit Goldstickerei bedeckt und mit Juwelen übersät. Seinen Hals schmückten lange Ketten aus massivem Gold, silberne und goldene Reife bedeckten die Arme, und unzählige Ringe versteckten die Finger. Seine Ohrläppchen waren vom Gewicht des Goldes, das schwer von ihnen herabhing, entstellt. Die Haut schimmerte olivfarben, aber um seine schräg stehenden Augen herum hatte er sie mit heller Farbe bemalt und die Konturen mit einer schwarzen Linie nachgezogen. Hinter ihm trippelte ein Diener einher, der einen riesigen Palmwedel über das Haupt des Mannes hielt, um ihn vor der Sonne zu schützen. Ein weiterer Diener lief neben ihm und erquickte seinen Herrn unablässig mit dem kühlen Luftzug seines Fächers.
»Das ist ein Geldverleiher, ein Anhänger Kharmanis, der Gott des Wohlstands.«
»Ich dachte, daß alle Leute aus Kich Quar anbeten?«
»Nicht alle, denn selbst Quar wagt es nicht, Kharmani zu nahe zu treten. Der Handel dieser Stadt würde sonst plötzlich zum Erliegen kommen. Außerdem gibt es nur wenige Anhänger Kharmanis, und wahrscheinlich sind sie Quars Aufmerksamkeit gar nicht wert. Sie haben keinerlei Interesse an Krieg und Politik, denn ihre einzige Sorge ist das Geld.«
Achmed musterte den Mann aufmerksam, der mit großartigem Gehabe durch die Menge schlenderte und unter den neidischen und gierigen Blicken, die man ihm von allen Seiten zuwarf, aufzublühen schien.
»Reiten sie jemals allein in die Wüste, diese Anhänger Kharmanis?« flüsterte Achmed seinem Bruder zu. »Ein einziges Armband könnte einen Mann und drei Frauen ernähren…«
»Du solltest so etwas nicht einmal denken!« entgegnete Khardan hastig. »Du wirst den Zorn des Gottes über uns alle bringen! Niemand sollte es wagen, einen der Auserwählten Kharmanis zu berauben! Das letzte Mal, als ich in Kich war, beobachtete ich einen Anhänger von Benario, dem Gott der Diebe, der gerade versuchte, einen Geldverleiher zu bestehlen. In dem Moment, als er den Geldbeutel des Mannes berührte, klebte seine Hand daran fest, und er war sein ganzes Leben dazu gezwungen, sich hinter seinem Opfer herzuschleppen. So sehr er sich auch mühte, die Hand blieb an der Tasche des Mannes haften. Er konnte sich einfach nicht befreien.«
»Ist das wahr?« Achmed zweifelte an den Worten seines älteren Bruders.
»Es ist wahr!« behauptete Khardan und versteckte sein Lächeln hinter einem ernsten Gesicht.
Achmed schaute dem Geldverleiher noch mit Bedauern nach, als ein seltsames Rasseln aus der entgegengesetzten Richtung die Aufmerksamkeit des jungen Mannes erregte.
Er warf einen Blick über die Schulter und zupfte seinem Bruder am Ärmel. »Wer sind diese armen Teufel?«
Khardan verkniff angewidert den Mund. »Sklaven, die zum
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