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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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dann fallen wir. Das ist der Zirkus.«
    »Und so ist das Leben«, sagte Judith und hob ihr Glas. Wir stießen miteinander an und schauten zu Maria, aber sie schien gerade einzuschlafen.
    »Entschuldigt mich bitte, aber ich glaube, ich gehe ins Bett.«
    »Ja, es war ein langer Tag, man sollte schlafen gehen«, stimmte ich ihr zu, blieb aber sitzen.
    »Gib mir einen Gutenachtkuss, mein Kind«, sagte Judith, »du glaubst nicht, wie sehr ich dich vermisst habe. Jetzt wird alles wieder so, wie es war, bevor du auf diese schreckliche Universität gegangen bist.«
    »Gute Nacht«, sagte Maria und ging in ihr Zimmer. Ich lehnte mich im Stuhl zurück, sah an die Decke und verlor mich in Gedanken an Maria bei ihrem Tanz mit den sieben Schleiern. Ich kam wieder zu mir, als Judith meine Hände umfasste.
    »Komm.«
    »Willst du nicht schlafen gehen?«
    »Komm, ich zeige dir, wie ich wohne.«
    In Judiths Wohnung lag ein schwerer Duft von Räucherstäbchen in der Luft, an den Wänden hingen persische Teppiche. Sie zündete Kerzen an, bedeutete mir, mich auf das niedrige Sofa im Wohnzimmer zu setzen, und goss Rotwein in ein Glas.
    »Danke, nur ein bisschen.«
    Sie goss ihr eigenes Glas randvoll und trank einen Schluck.
    »Ah, das ist so gut.«
    Sie legte sich auf das andere Sofa auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches, ihre prallen Schenkel lugten durch den Schlitz in ihrem Kleid, aber sie kümmerte sich nicht darum.
    »Das Leben kann wundervoll sein, Michael, wenn man es zu genießen weiß.«
    »Wie lange kennst du Maria schon?«
    »Seit sie sieben war. Sie kann alles. Oder fast alles. Weißt du, dass sie die ganzen sieben Jahre lang, in denen sie mir regelmäßig Briefe schrieb, nie einen Mann erwähnt hat? Ich bin mir sicher, dass ihr nicht miteinander schlaft.«
    »Worüber hat sie geschrieben?«
    »Über Gott.«
    »Gott?«
    »Sie hat immerzu über Gott geredet, als sie klein war. Gott, Gott, Gott! Ich finde, man sollte Gott nur anbeten, wenn man in Ekstase ist. Dann klingt es natürlicher.«
    »Hast du sie gern?«
    »Sie hat mir diese Wohnung geschenkt, als ihr Vater starb. Sie sagte, er hätte es so gewollt.«
    »Wie war er?«
    »Was willst du über ihn wissen? Willst du alles wissen? Ich erzähle dir alles.«
    Sie kroch auf allen Vieren zu mir herüber, drückte mich aufs Sofa und legte sich auf mich.
    »Er war wild. Er hatte dasselbe Glänzen in den Augen wie du. Im einen Moment ruhig und gelassen, brachte Maria ins Bett, las ihr etwas vor, betete mit ihr, gab ihr einen Gutenachtkuss, dann kam er rüber und vergewaltigte mich, in der Küche, im Bad, hier auf dem Sofa – er war ein Tier. Manchmal, wenn er in mich eindrang, stöhnte er den Namen seiner Tochter: ›Maria, ich liebe dich.‹ Dann weinte er. Weinte sich in den Schlaf. Am nächstenMorgen war er wieder ein ehrenhafter Vater, der nur für seine Tochter lebte. Würdigte mich keines Blickes. Ist Maria krank? Sie hat gestern einmal gehustet, ist es staubig in ihrem Zimmer? Hast du frischen Orangensaft gekauft? Ich will nicht, dass sie Saft aus künstlichen Aromen trinkt. Was sagt sie über mich? Findest du sie nicht wunderschön? Merkwürdig, dass ich sie nur berühren kann, wenn ich sie von ganzem Herzen liebe. Kannst du manchmal durch ihre Kleidung sehen? Judith, bleib ruhig liegen und sprich ein Gebet, Judith, sag Jesus, sag Gott. Man soll Gott nur in Ekstase anbeten. Hilf mir, mich Gott zu nähern, lass mich zu Gott beten, Michael!«
    Sie hatte bereits meine Hose aufgeknöpft, als ich ihre Hand packte. Sie versuchte sich mit aller Gewalt zu befreien.
    »Nähern wir uns Gott, Michael, du darfst mich Maria nennen.«
    Ihr Gesicht war von Schmerz entstellt, und sie stöhnte, den Tränen nah:
    »Ich spreche das Abendgebet, du darfst mich Maria nennen, du darfst mich Maria nennen, wenn du …«
    Sie ermattete in meinen Händen und weinte bitterlich. Ich hielt sie im Arm und streichelte ihr über den Rücken, bis sie ruhig war. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich, und sie stand auf. Bevor sie in ihrem Schlafzimmer verschwand, sah sie mich mit brennenden Augen an und sagte:
    »Du gehörst mir zwar nicht diese Nacht, mein Lieber, aber die Nacht wird kommen.«
    Als ich unter meiner Bettdecke lag, konnte ich nicht einschlafen, weil ich so viel denken musste. Ich erinnerte mich daran, wie sich Großvater nach dem Prozess verändert und wie das mein Leben in Aufruhr gebracht hatte. Ich wusste kaum mehr, wer ich vor Großvaters Wandlung gewesen war, nur noch, dass alles

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