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dark destiny

dark destiny

Titel: dark destiny
Autoren: Jennifer Benkau
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intro
    Ich hatte immer gedacht, der erste gewonnene Gerichtsprozess würde meine Zweifel verstummen lassen.
    Wie bei so vielen Dingen hatte ich erst später erkannt, wie wenig ich wusste.
    • • •
    Das Blut rauschte in meinen Ohren, während wir in gebannter Stille darauf warteten, dass die Richterin das Podest betrat und auf dem gepolsterten Stuhl Platz nahm. Sie schien alle Zeit der Welt zu haben. Es war ja nicht ihr Leben, über das hier entschieden wurde.
    Meins auch nicht, doch es fühlte sich fast so an. Higgs war der erste Percent, für den ich vor Gericht übersetzte. Ich fühlte mich von der Aufgabe überfordert und bereute beinahe, sie angenommen zu haben. Es war nicht so, dass ich Herausforderungen nicht mochte, doch hier ging es um ein Leben. Um Higgs' Leben. Meine Arbeit trug einen maßgeblichen Teil zu der Entscheidung bei, ob der alte Mann freigesprochen wurde und das Meer wiedersehen durfte oder ob er in einem Arbeitslager eingesperrt wurde und seine letzten Jahre damit verbringen musste, Steine zu schlagen.
    Higgs hatte einen Menschen getötet und gleichzeitig war er unschuldig. Es war Notwehr gewesen, er hatte sich nur verteidigt, als der junge Mann ihn angegriffen hatte, ohne Not und augenscheinlich ohne einen Grund. Doch anders als Higgs hatte die Gegenseite, die Familie des Toten, genug Geld, um einen teuren Anwalt zu bezahlen.
    Higgs hatte gar kein Geld. Und somit auch keinen Anwalt. Alles, was er hatte, war die Unterstützung der Gilde der Wölfe, und die stieß in Fällen wie seinem oft an ihre Grenzen. Wir verfügten nur über wenige Anwälte, sie hatten mit den großen Fällen alle Hände voll zu tun. Unsere Vorsitzenden hatten sich darauf geeinigt, dass die Gerichtsverhandlungen fremdländischer Percents daher nur von Übersetzern begleitet wurden. Und manchmal, wie in diesem Fall, von Lehrern. Higgs beherrschte die hiesige Sprache nur schlecht. Er sollte nicht in ein Lager gesperrt werden, nur weil er die Richterin nicht verstand und ihre Fragen nicht beantworten konnte. Er wäre gerne öfter zum Sprachunterricht gekommen, hatte dafür aber selten Zeit gehabt. Die Lektionen fanden in den Abendstunden und nachts statt und Higgs arbeitete von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in einer Werft, wo er Schiffe baute. Handelsschiffe, hatte er mir mit glänzenden Augen erzählt, die die ganze Welt bereisten. Higgs liebte Schiffe und er liebte die Vorstellung, ein kleiner Teil von ihm würde mit jedem Schiff, an dem er mitgearbeitet hatte, über die Weltmeere schippern. Seine Arbeit war sein Leben, auch wenn sie seinen Rücken über viele Jahre hatte krumm werden lassen und er nicht mehr verdiente, als er zum Überleben brauchte.
    Vielleicht ging mir sein Schicksal so nah, weil ihm Schiffe ebenso viel bedeuteten wie mir.
    Ich hatte mein Bestes getan, doch nun zweifelte ich, ob es genug gewesen war. Bisher hatte ich nur Sprachunterricht gegeben, Higgs war der Erste, dem ich vor Gericht als Übersetzerin beistand. Mir war noch ganz flau vom harten Verhör des gegnerischen Anwalts. Ich hatte nicht erwartet, dass es mir so nahegehen würde.
    Ich sah zu Higgs hinüber. Er wirkte traurig und müde, er glaubte nicht an einen Freispruch, das betonte er immer wieder. Er hatte längst aufgegeben.
    Ich hatte seine Berichterstattungen von der Tatnacht übersetzt, sodass die Richterin eine Chance bekam zu verstehen, warum Higgs den Mann niedergeschlagen und letztlich getötet hatte. Ich war zufrieden mit meiner Arbeit, hatte, soweit ich das beurteilen konnte, sinnvoll argumentiert und ich war sachlich geblieben, war nicht auf die Provokation der Gegenseite eingegangen. Das hatte ich geschafft. Doch Higgs Zuversicht zu vermitteln, Glauben daran, dass wir siegen würden, das war mir nicht gelungen. Darin war ich nie gut gewesen. Auch Neel hatte ich die Zuversicht, die ich verspürt hatte, nie zu vermitteln vermocht. Vielleicht hatte er deshalb nicht genug Vertrauen in mich gehabt, nicht genug Vertrauen, dass alles gut werden würde.
    Vielleicht...
    Die Richterin räusperte sich und riss mich aus meinen Gedanken. Sie hielt eine längere Rede über Schuld und Unschuld, Bürgerpflichten und Rechte, Missverständnisse, Aggressionspotenzial gewisser Rassen, sie sprach über die Unterschiede zwischen Menschen und Percents. Es waren leere Phrasen, Worthülsen ohne Inhalt, und ich hörte nur halbherzig zu.
    Und dann brandete Unruhe in dem Saal auf, der eben noch von Stille erfüllt gewesen war. Ein Mann auf der linken
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