Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
war, wusste ich nicht, was ich machen sollte, und versuchte vergeblich aufzuräumen. Sollte ich zu ihr ins Bad gehen? Ich dachte darüber nach, beschloss aber, es nicht zu tun. Als ich hörte, dass sie das Wasser abgedreht hatte, setzte ich mich aufs Sofa und tat so, als sei ich ganz entspannt. Als sie kam, war ich erstaunt, dass sie keinen Bademantel trug, sondern sich nur in ein Handtuch gewickelt hatte, das sie notdürftig bedeckte. Ich spürte mein Herz hämmern.
»War ich lange weg?«
»Eine Ewigkeit.«
Anstatt in ihr Zimmer zu gehen, womit ich gerechnet hatte, machte sie ein paar Schritte auf mich zu und fragte:
»Das war ein guter Tag, findest du nicht?«
»Ja«, antwortete ich und stand auf.
»Glaubst du, dass der Abend auch gut wird?«, fügte sie hinzu und wandte sich in den Flur. Ich folgte ihr. Sie ging nicht in ihr Zimmer, sondern in das Zimmer ihres Vaters, wo ich geschlafen hatte. Als ich es betrat, lag sie unter der Bettdecke.
»Mir ist so heiß, ist dir nicht heiß, Michael? Willst du dein Hemd nicht ausziehen?«
»Doch«, antwortete ich, »aber bringt dich dieses Handtuch nicht um?«
Maria lächelte mit geschlossenen Lippen und ließ das Handtuch aus dem Bett gleiten. Ich meinte, ihr im Schimmern ihrer Augen zu begegnen. Ich zog mein Hemd aus, aber als ich wieder zu ihr sah, hatte sie einen panischen Ausdruck auf dem Gesicht.
»Was ist das?«, fragte sie laut und zeigte auf die Wand neben mir. Ich drehte mich um.
»Ich sehe nichts.«
Im Wohnzimmer raschelten die Gardinen. Ein Luftzug?
»Doch, da!«
An der Wand war der Schatten eines Vogels, der mit den Flügeln schlug; seine Umrisse schienen von einem schmalen Lichtrand umgeben zu sein. Um das Tier zu lokalisieren, blickte ich über die Schulter, konnte es aber nicht entdecken. Maria schrie auf, und ich drehte mich wieder um. Jetzt bildete der Schatten die Form eines riesigen bärtigen Mannes in einem langen Gewand. Ich rief:
»Wer ist da?«, bekam aber keine Antwort. Der Schatten huschte über die Wand auf das Bett zu, in dem Maria vor Angst wie gelähmt lag. Ich riss ein paar Blumentöpfe von der Fensterbank und schmiss sie in die Richtung, wo der Mann stehen musste, aber er schien heil davongekommen zu sein, denn der Schatten bewegte sich nicht. Dem Schatten nach zu urteilen, hatte er das Gewand fallen lassen und stand irgendwo nackt im Zimmer. In meiner Verzweiflung schleuderte ich den letzten Blumentopf fluchend direkt auf den Schatten. Plötzlich begann alles im Raum sich zu bewegen. Die Tür des Kleiderschranks neben mir schlug mir direkt ins Gesicht, sodass ich für einen Moment das Bewusstsein verlor.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Fußboden. Der Schatten war von der Wand verschwunden, aber Maria lag immer noch in panischer Angst im Bett. An ihren Füßen bewegte sich die Bettdecke. Ein großer Kopf schien darunter zu sein, obwohl kein Körper zu sehen war. Der Kopf wanderte an Marias Beinen nach oben, und gleichzeitig wurde die Decke wie von gigantischen Schultern angehoben. Ich war immer noch so benommen, dass ich mich nicht rühren konnte. Maria klang, als würde sie umgebracht, doch gleichzeitig wurde ein fremder Ton in ihrer Stimmeimmer eindringlicher. Ein unheimlicher Ton. Die Decke nahm jetzt die Form eines kräftigen Männerkörpers an, der Kopf schien oben herauszuragen und die Beine unten, wobei beide nicht klar erkennbar waren. Plötzlich verstummten Marias Schreie, und man hörte sie heftig atmen und wirr reden. Der Schatten bewegte sich, und Maria schrie wieder, aber nun war der neue Ton in ihrer Stimme noch stärker. Was war das für ein Ton?
Mühevoll kam ich auf die Beine, und indem ich mich an einem Bücherregal abstützte, konnte ich mich auf die Mitte des Bettes zutasten. Marias Haut glänzte vor Schweiß, sie warf den Kopf hin und her, die Augen geschlossen.
»Oh mein Gott, oh Michael.«
»Maria«, ächzte ich, aber sie hörte mich nicht. Sie verstummte für einen Moment und wimmerte dann merkwürdig, fast so, als würde sie singen. Was war das für ein Ton in ihrer Stimme, der immer eindringlicher wurde? Ich nahm all meine Kraft zusammen und sagte, so laut ich konnte:
»Maria!«
Sie schlug die Augen auf, schaute mich an und streckte die Hand nach mir aus.
»Michael.«
Ich nahm ihre Hand und zog sie aus dem Bett. Die Decke hob sich, so als stünde ein Mann im Bett. Ich riss die Schranktür ab, die mir ins Gesicht geschlagen war, und schwang sie mit voller Wucht über das Bett. Die Decke
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