Die Rückkehr der Jungfrau Maria
es nicht.«
»Moment mal!«
»Gestern Abend, als ich sie angezogen habe, waren sie noch nicht durchsichtig. Dann bin ich im Zug eingeschlafen, und als ich eben auf den Bahnsteig kam, merkte ich, dass die Männer mich anstarrten und die Frauen pikiert waren. Meine Kleider waren auf einmal durchsichtig. Vielleicht hat es was mit Schwitzen zu tun.«
»Was du nicht sagst«, entgegnete ich lachend.
Ohne zu lächeln, fügte sie hinzu:
»Ja, sehr witzig.«
Ich hielt es für besser, nicht weiter darüber zu reden. Stattdessen erzählte ich Maria, ich wisse von einer Pension auf dem Hügel in der Nähe des Marktplatzes, wo die Premiere stattfinden sollte. Dann bat ich sie, den Wagen von hinten anzuschieben, da wir bergauf mussten. Nachdem wir ihn auf dem Hof hinter der Pension abgestellt hatten, gingen wir zur Rezeption.
»Kann ich bitte zwei Zimmer haben?«, fragte ich den Jungen.
»Nebeneinander?«, entgegnete er.
»Ja«, antworteten wir beide.
»Mit einer Zwischentür?«, fragte der Junge grinsend.
»Nein«, antwortete ich, aber zu meinem Erstaunen sagte Maria:
»Ja, bitte.«
Wir tauschten einen Blick. Sie war so hübsch, dass es geradezu schmerzte, sie anzuschauen.
»Wir sind Kollegen«, erklärte sie.
Ich riss meinen Blick von ihr los und hörte mich selbst sagen:
»Ist mir egal.«
Dann sah ich den Jungen an und sagte so natürlich wie möglich:
»Zwei getrennte Zimmer für meine Kollegin und mich bitte.«
Bevor wir in unsere jeweiligen Zimmer gingen, verabredeten wir, dass ich ihr später auf dem Hof zeigen würde, wie der Schrank funktionierte. Erst wollte ich mich ein wenig entspannen, nachdem ich den Wagen die meiste Zeit bergauf gezogen hatte, fand aber keine Ruhe.
Warum habe ich eine Assistentin eingestellt? Ich kann mich gut alleine um alles kümmern, auch wenn es ein bisschen mühsam ist, den Wagen von Ort zu Ort zu ziehen. Jetzt muss ich ihr von dem bisschen Geld, das ich mitgenommen habe, ein Gehalt zahlen. Und wer ist diese Frau überhaupt? Hockt nackt auf einem Bahnhof, ich gabele sie dort auf, und dann will sie eine Zwischentür zwischen unseren Zimmern. Sie ist bestimmt eine Prostituierte. Trotzdem verstehe ich nicht, warum sie sich verkaufen muss, so, wie sie aussieht. Ich dachte, ich sei aus dem Zirkus daran gewöhnt, von schönen Frauen umgeben zu sein, aber sie ist wirklich unglaublich schön. Und was hat sie da geschwafelt, sie wüsste nicht, warum sie durchsichtige Kleider trüge? Vielleicht ist sie ja ein bisschen zurückgeblieben. Das würde erklären, warum sie sich mit diesem Aussehen prostituiert. Ich muss mehr über sie in Erfahrung bringen, bevor ich mich noch in irgendwelche Schwierigkeiten verstricke.
Als wir uns unten im Hof trafen, hatte Maria geduscht und sich umgezogen. Um einen klaren Kopf zu behalten, vermied ich es, sie allzu oft anzuschauen.
»Eigentlich muss ich deinen Ausweis sehen, damit wir einen Vertrag abschließen können.«
»Meinen Ausweis?«, fragte sie verlegen.
»Ja«, antwortete ich, holte ein Taschenmesser heraus und schnitt das Seil durch, mit dem die Abdeckung auf dem Schrank befestigt war. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
Sie nahm ihren Geldbeutel und reichte mir ihren Personalausweis. Ich musterte ihn lange.
»Der ist ja überhaupt nicht ausgefüllt!«
»Ja, ist das nicht seltsam? Letzte Woche war plötzlich alles ausgelöscht.«
Ich starrte sie an. Dann seufzte ich:
»So ähnlich wie mit deinen Klamotten, die durchsichtig geworden sind?«
»Ja«, antwortete sie.
Ich versuchte, sie mit kühlem Blick abzuschätzen. Sie wirkte alles andere als zurückgeblieben. Ich gab ihr den Ausweis zurück.
»Was machst du denn, wenn ich fragen darf?«
»Bis gestern Abend war ich Theologiestudentin.«
»Theologiestudentin«, wiederholte ich.
Wenn sie versucht, mich zum Narren zu halten, gelingt ihr das sehr gut , dachte ich und stammelte:
»Äh, ist es in Ordnung für dich, wenn wir keinen Vertrag abschließen, ich meine, wenn wir das einfach nur vereinbaren?«
Sie war einverstanden, und wir wandten uns dem Zirkus der Göttlichen Ordnung zu. Ich erklärte ihr grob den Ablauf des Programms, und anschließend fragte sie:
»Wo ist die Taube?«
»Die Taube? Ja, die zeige ich dir zuletzt.«
Ich öffnete die Rückseite des Schranks und zeigte ihr die höchst komplizierten Steuerinstrumente. Ich erklärte absichtlich sehr schnell, wie alles funktionierte, und fragte dann:
»Hast du verstanden?«
»Ja«, antwortete sie zerstreut.
»Und?«, sagte
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