Die Rückkehr der Templerin
noch dazu, den sie niemals in ihrem Leben kennen gelernt hatte, tatsächlich hier, in einem Land am anderen Ende der Welt, zusammen mit den wichtigsten Männern der Christenheit und unterhielt sich mit ihnen fast wie mit Gleichgestellten? Und als wäre das noch nicht genug, hatte sie soeben den Marschall des Templerordens beleidigt, und vermutlich hatte sie diese Beleidigung aus dem einzigen Grund nicht sofort mit dem Leben bezahlt, weil sich der einzige noch mächtigere Mann im Raum über den unübersehbaren Ärger amüsierte, den Ridefort über ihre Worte empfand.
»Bruder Robin?«
Robin fuhr erschrocken zusammen, als der Klang von Odos Stimme in ihre Gedanken drang, hob rasch den Kopf und erschrak dann noch einmal und deutlich heftiger, als sie Odos Blick begegnete und ihr der Ausdruck in seinen Augen klar machte, dass er sie nicht zum ersten Mal angesprochen hatte.
»Bruder … Odo?«, fragte sie nervös. Sie bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Horace die Augen verdrehte und plötzlich so aussah, als wollte er am liebsten im Boden versinken, doch das amüsierte Glitzern in Odos Augen nahm eher noch zu. Nach allem, was sie bisher über den Großmeister des Templerordens gehört hatte, hätte sie eine solche Reaktion von ihm als Allerletzten erwartet, aber Odo schien an diesem Tag in ganz besonders großzügiger Stimmung zu sein.
»Zweifellos warst du gerade in stummer Zwiesprache mit Gott«, sagte er amüsiert. »Ich habe gefragt, ob du es warst, den Bruder Abbé damals in seiner Komturei auf den Spion des Alten vom Berge angesetzt hat.«
Einen Herzschlag lang sah Robin den schmalgesichtigen Ritter nur mit einem Ausdruck vollkommener Verständnislosigkeit an. Sie war so sehr in ihre Gedanken versunken gewesen, dass sie sich fühlte, als erwache sie aus einem tiefen, von Albträumen heimgesuchten Schlaf, und es ihr im ersten Moment vollkommen unmöglich war, diesen Worten irgendeinen Sinn abzugewinnen. »Sein … Spion?«
»Sein Name war Saled«, fügte Ridefort hinzu.
»Salim«, berichtigte ihn Horace, betont beiläufig, zugleich aber auch mit einem raschen, beinahe beschwörenden Blick in Robins Richtung. »Ja, das ist richtig. Bruder Abbé hat Robin damals den vermeintlichen Sklaven als Leibdiener und Knappen zugewiesen.« Er lächelte dünn. »Wie ich das alte Schlitzohr kenne, wird er heute behaupten, schon damals gewusst zu haben, dass dieser Heide in Sinans Auftrag gekommen ist, uns auszuspionieren. Aber wenn Ihr mich fragt, war es wohl reiner Zufall.«
»Vermutlich«, sagte Odo nickend.
»Oder Gottes Fügung«, fügte Ridefort hinzu. Seine Stimme nahm wieder jenen lauernden Ton an, der Robin schon mehrmals darin aufgefallen war. »Wisst Ihr, wo sich der Heidenhund heute aufhält?«
»In einem Zelt weniger als eine Stunde von hier«, sagte Horace. Nicht nur Ridefort sah ihn überrascht an, sondern auch Odo wandte mit einem Ruck den Kopf und runzelte fragend die Stirn, und Robin fuhr so heftig zusammen, dass sie um ein Haar ihren Trinkbecher umgeworfen hätte. Salim war also tatsächlich hier!
»Dieser Spion besitzt die Dreistigkeit …«, begann Ridefort.
»Dieser Spion«, unterbrach ihn Horace betont, »ist als offizieller Vertreter Raschid Sinans hier - unseres Verbündeten.«
»Der in der Wahl seiner Botschafter vielleicht etwas sorgfältiger sein sollte«, sagte Ridefort.
Horace hob die Schultern. »Vielleicht. Unglückseligerweise ist dieser Salim Sinans Sohn - jedenfalls ist es mir so zu Ohren gekommen.«
»Sein Sohn?«, fragte Odo. Wieso sah er Robin dabei an? Ridefort schnaubte. »Der Bastard eines Heidenfürsten, der durch Mord und Intrigen an die Macht gekommen ist«, sagte er abfällig, »Vermutlich hat er fünfzig Söhne. Oder hundert.«
»Salim«, sagte Odo noch einmal. Er klang nachdenklich, und sein Blick, der weiterhin beharrlich auf Robins Gesicht lastete, wurde noch nachdenklicher. »Ich habe eine Geschichte gehört, über diesen … Salim. Es heißt, er hätte eine Christenfrau geheiratet. Weißt du etwas darüber, Bruder Robin? Es heißt, es hätte in Sinans Felsennest Masyaf ein großes Fest gegeben, zu dem auch ein Bruder unseres Ordens geladen war. Als Ehrengast, wie man mir berichtet hat.«
Robin war am Rande der Panik. Was sollte sie sagen? Sie konnte Odo die Antwort auf seine Frage nicht einfach schuldig bleiben, aber sie hatte zugleich das schreckliche Gefühl, dass sich einfach alles, was sie sagen konnte, gegen sie wenden würde. Wussten die beiden Templer um
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