Die Rueckkehr des Nexius
Kerzen warmes Licht spendeten, und in einem Kamin knisterte ein Feuer.
Die Zusammengerufenen tuschelten leise miteinander, wobei De-ville immer wieder forschende Blicke zugeworfen wurden. Der grauhaarige Vampir mit dem gepflegten, gestutzten Vollbart saß mit aufrechtem Oberkörper am Tischende und strahlte wie immer eine besondere Würde und Beherrschtheit aus. Geduldig wartete er, bis die Zeiger der Wanduhr auf genau zehn Uhr weitergerückt waren.
Die Türen zu diesem Raum waren bereits seit einigen Minuten geschlossen. Der engste Kreis der Vampirsippe war unter sich. Im Grunde hätte Deville längst damit beginnen können, zu verkünden, was er zu verkünden hatte. Doch alle Anwesenden wußten, daß er, wenn er die Sitzung auf zehn Uhr angesetzt hatte, auch keinen Augenblick eher damit beginnen würde. Also faßten sich alle in Geduld und tauschten die letzten interessanten Informationen aus. London war groß, ihre Wirkungskreise durchaus verschieden, und so oft sah man sich nicht.
Deville hatte zwei seiner Vertrauten aus dem Gut zu der Zusammenkunft geladen, die zu seiner Rechten und Linken saßen.
Die Anwesenheit des einen erstaunte niemanden. Es handelte sich um einen Mann namens Daswadan, dessen lange wilde Mähne und stechender Blick so gar nicht zu seinem gepflegten dunklen Anzug passen wollten. Jeder wußte, daß er eine Vorliebe für besonders bestialische Methoden hatte, sich sein Blut zu beschaffen. Nicht selten gab es Aufruhr in den Medien und der Öffentlichkeit, wenn wieder einmal eines seiner grausam zugerichteten Opfer aufgefunden wurde. Die hiesige Sippe war dadurch mehrfach Gefahr gelaufen, ins Blickfeld der polizeilichen Ermittlungen zu geraten. Doch dank De-villes weitreichender Kontakte suchte man bei Scotland Yard nach einem verrückten Serienkiller, der Vampire imitierte und in London sein Unwesen trieb.
Es stand zu befürchten, daß Daswadans Vorlieben die Polizei oder Presse irgendwann auf die Spur der hiesigen Sippe führen würde, doch da Deville ihm keinen Einhalt gebot, wagte niemand der anderen, dagegen aufzubegehren. Sie hielten sich Daswadan so fern wie möglich. Niemand traute ihm recht über den Weg - bis auf das Sippenoberhaupt selbst. Daswadan diente ihm als Leibwächter, Mann für besondere Aufgaben und hundertprozentig ergebener Diener.
Die Anwesenheit des Vampirs zu Devilles Linken hatte jedoch Erstaunen hervorgerufen. Er nahm zum ersten Mal an einer solch vertraulichen Zusammenkunft teil. Es handelte sich um einen schwarzhaarigen, noch jung wirkenden Vampir namens Jacques, der wie Mitte Zwanzig erschien. Deville hatte vor acht Jahren den bis dahin sippenlos Umherziehenden in die Familie aufgenommen und behandelte ihn seitdem wie einen leiblichen Sohn, was bei einigen anderen Mitgliedern der Sippe Neid hervorrief.
Während die Zeiger der Wanduhr auf zehn Uhr vorrückten, erstarben die Gespräche der Vampire mehr und mehr, und beim Gongschlag herrschte Totenstille. Alle Augenpaare wandten sich Deville zu.
Das Oberhaupt der Sippe räusperte sich leicht und blickte in die Runde. Er nickte würdevoll. »Ich freue mich, daß ihr alle meiner Einladung gefolgt und hier erschienen seid. Ich darf Euch versi-chern, daß ihr euer Kommen nicht bereuen werdet. Ich habe euch mit wichtigen Neuigkeiten zu versorgen.«
»Das müssen wirklich wichtige Neuigkeiten sein«, ließ sich einer der Vampire am Tisch vernehmen. »Die letzte außerplanmäßige Sitzung liegt mehr als zehn Jahre zurück.«
»Wie ich schon sagte«, fuhr Deville fort, »ihr werdet euer Kommen nicht bereuen. Ihr alle kennt Landru. Er hat unsere Sippe gebeten, eine äußerst wichtige Aufgabe zu übernehmen.« Er lächelte dünn. »Eine Aufgabe, durch die wir uns geehrt fühlen dürfen.«
»Warum ausgerechnet wir?«
»Ich habe seit einigen Jahrzehnten ein vertrautes Verhältnis zu Landru. Wahrscheinlich hat er sich deshalb für uns entschieden. Er weiß, daß er sich auf mich verlassen kann.« Sein Blick wurde stechend und wanderte reihum, ehe Deville hinzufügte: »Und mit derselben Sicherheit kann ich mich auf euch und eure Verschwiegenheit verlassen. Von dem, was hier im Raum gesprochen wird, darf nichts zu anderen Vampiren dringen. Das habe ich Landru zusichern müssen.«
Einer deutete auf Jacques. »Und warum ist er dann hier? Er gehört nicht zu den Vertrauten unsere Sippe.« Es klang anklagend.
»Daß Jacques anwesend ist, hat einen besonderen Grund, wie ihr später erfahren werdet. Ich habe mich
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