Die Rückkehr des Tanzlehrers
richtig gute Puzzles zu bekommen. Solche, die mit der Hand ausgesägt worden waren. Maschinengestanzte mochte er nicht. Die Teile hatten keine Logik und kein Verhältnis zum Motiv. Sie mochten schwer zu lösen sein, aber die Schwierigkeit war mechanischer Art. Im Moment arbeitete er an einem Puzzle mit Rembrandts Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis gegen die Römer. Es bestand aus dreitausend Teilen. Ein Künstler in Rouen hatte es geschaffen. Vor einigen Jahren war er mit dem Wagen hinuntergefahren und hatte den Mann besucht, der dieses Puzzle hergestellt hatte. Sie waren sich darin einig, daß die besten Puzzles diejenigen waren, die nur schwache Lichtveränderungen aufwiesen, wie zum Beispiel Rembrandts Motiv. Sie stellten höchste Anforderungen an Ausdauer und Phantasie.
Er saß mit einem Teil in der Hand da, das zum Hintergrund des Bildes gehörte. Es dauerte fast zehn Minuten, bis er den Platz gefunden hatte, an dem es eingefügt werden mußte. Er schaute wieder auf die Uhr. Kurz nach halb fünf. Es würde noch mehrere Stunden dauern, bis es dämmern würde, die Schatten sich zurückzögen und er schlafen könnte.
Er dachte, daß das Leben trotz allem viel einfacher geworden war, seit er mit fünfundsechzig in Pension gegangen war. Jetzt brauchte er die Müdigkeit nicht mehr zu fürchten. Und daß er während der Arbeit einschlafen könnte. Die Schemen hätten ihn schon lange in Frieden lassen sollen. Er hatte seine Strafe abgegolten. Sie brauchten nicht länger über ihn zu wachen. Sein Leben war zerstört. Warum konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen?
Er stand auf und ging zum CD-Spieler im Bücherregal. Er hatte ihn vor ein paar Monaten auf einer seiner seltenen Reisen nach Östersund gekauft. Er spielte die CD, die sich schon im Gerät befand und die er zu seiner Verwunderung zwischen der Popmusik in dem Laden entdeckt hatte, in dem er auch den CD-Spieler gekauft hatte. Argentinischer Tango. Echter Tango. Er drehte die Lautstärke höher. Der Elchhund draußen im Dunkeln hatte ein gutes Gehör und reagierte mit einem Bellen auf die Musik, verstummte aber gleich wieder. Er lauschte der Musik, während er langsam um den Tisch ging und das Puzzle betrachtete. Es lag noch viel Arbeit vor ihm. Er würde noch mindestens drei Nächte brauchen, bis das Puzzle fertig war und er es verbrennen konnte. Dann hatte er immer noch eine Reihe nicht ausgepackter Puzzles, die in ihren Kartons auf ihn warteten. In ein paar Tagen würde er außerdem zur Post in Sveg fahren und eine weitere Sendung des alten Meisters in Rouen abholen.
Er setzte sich auf die Couch und lauschte der Musik. Es war einer seiner großen Träume gewesen, einmal im Leben nach Argentinien zu fahren. Einige Monate in Buenos Aires zu verbringen und nachts Tango zu tanzen. Aber es war nie etwas daraus geworden. Immer hatte ihn etwas zögern lassen. Als er vor elf Jahren Västergötland verlassen hatte und in die Wälder Härjedalens hinaufgezogen war, hatte er sich vorgenommen, in jedem Jahr eine Reise zu machen. Er lebte einfach, und obwohl seine Pension nicht hoch war, würde er es sich leisten können. Aber es waren nur ein paar Reisen mit dem Wagen in Europa herausgekommen. Auf der Jagd nach neuen Puzzles.
Er würde nie nach Argentinien kommen. Er würde nie in Buenos Aires Tango tanzen.
Aber nichts hindert mich daran, hier zu tanzen, dachte er. Ich habe die Musik, und ich habe meine Partnerin.
Er erhob sich. Es war fünf Uhr. Noch war die Dämmerung fern. Die Zeit zum Tanzen war gekommen. Er ging ins Schlafzimmer und nahm den schwarzen Anzug aus dem Kleiderschrank. Er musterte ihn sorgfältig, bevor er ihn anzog. Ein kleiner Fleck auf dem Revers irritierte ihn. Er befeuchtete ein Taschentuch und entfernte ihn vorsichtig. Dann zog er sich um. Zum weißen Hemd wählte er an diesem Morgen eine rostbraune Krawatte.
Am wichtigsten waren die Schuhe. Er hatte mehrere Paar italienischer Tanzschuhe, zwischen denen er wählen konnte. Alle kostbar. Für einen Mann, der den Tanz ernst nahm, mußten die Schuhe perfekt sein.
Als er fertig war, stellte er sich vor den Spiegel auf der Innenseite der Kleiderschranktür. Er betrachtete sein Gesicht. Das Haar war grau und kurz geschnitten. Er war mager und dachte, daß er mehr essen sollte. Aber er war trotzdem zufrieden. Er sah wesentlich jünger aus als sechsundsiebzig.
Dann ging er ins Wohnzimmer zurück und blieb vor der Tür des Gästezimmers stehen. Sie war geschlossen. Er klopfte und stellte
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