Die Rückkehr des Tanzlehrers
wochenlang benutzen. Dann ging er ins Schlafzimmer, zog den Morgenrock aus und kroch ins Bett. Es war noch nicht hell, aber er lag gern da und hörte Radio, während er auf die Dämmerung wartete. Wenn er das erste schwache Licht vor dem Haus ahnte, würde er das Radio abschalten, die Lampe ausmachen und sich zum Schlafen zurechtlegen.
Shaka begann wieder zu bellen. Er runzelte die Stirn. Horchte und zählte still bis dreißig. Shaka war ruhig. Was für ein Tier es auch gewesen sein mochte, jetzt war es verschwunden. Er machte das Radio an. Abwesend hörte er auf die Musik. Shaka schlug erneut an. Aber jetzt klang es anders. Er setzte sich hastig im Bett auf. Shaka bellte wütend. Das konnte nur bedeuten, daß ein Elch in der Nähe war. Oder ein Bär. Es wurden jedes Jahr Bären in der Gegend geschossen. Er selbst hatte jedoch nie einen gesehen. Shaka bellte weiter. Er stieg aus dem Bett und zog den Morgenrock an. Shaka verstummte. Er wartete, aber es blieb ruhig. Er zog den Morgenrock wieder aus und kroch zurück zwischen die Laken. Er schlief immer nackt. Die Lampe beim Radio brannte.
Plötzlich fuhr er hoch. Irgend etwas stimmte nicht. Etwas mit dem Hund. Er hielt den Atem an und lauschte. Alles war still. Er bekam Angst. Ihm war, als hätten sich die Schatten um ihn her verändert. Er stieg aus dem Bett. Da war etwas mit Shakas letztem Bellen. Es hatte nicht natürlich geendet. Sondern so, als sei es abgeschnitten worden. Er ging ins Wohnzimmer und zog eine der Gardinen vor dem Fenster zur Seite, das direkt zum Hundezwinger hinausging. Shaka bellte nicht, und er merkte, daß sein Herz schneller zu schlagen begann. Er ging zurück ins Schlafzimmer und zog sich eine Hose und einen Pullover an. Dann nahm er das Gewehr, das immer unter dem Bett lag. Eine Schrotflinte mit sechs Schuß im Magazin. Er ging hinaus in den Flur und stieg in ein Paar Stiefel. Die ganze Zeit über horchte er. Shaka war still. Er dachte, daß er sich etwas einbildete, daß alles in Ordnung war. Bald würde die Dämmerung einsetzen. Es waren die Schatten, die ihm Angst machten. Nichts anderes. Er schloß die drei Schlösser der Haustür auf und schob sie vorsichtig mit dem Fuß auf. Immer noch keine Reaktion von Shaka. Jetzt wußte er, daß etwas nicht stimmte. Er nahm eine Taschenlampe von einem Regal und leuchtete hinaus in die Dunkelheit. Shaka war nicht zu erkennen. Er ließ den Lichtkegel über den Waldrand gleiten, während er nach dem Hund rief. Er bekam keine Antwort. Hastig zog er die Tür zu. Schweißgebadet. Er entsicherte das Gewehr und öffnete wieder. Vorsichtig trat er hinaus auf die Treppe. Alles war still. Er ging zum Hundezwinger und blieb abrupt stehen. Shaka lag auf dem Boden. Die Augen waren offen, und das grauweiße Fell war blutig. Er wandte sich um und lief zurück zum Haus. Er schlug die Tür hinter sich zu. Etwas passierte. Er wußte nicht, was es war, aber jemand hatte Shaka getötet. Er machte alle Lampen im Haus an und setzte sich im Schlafzimmer auf das Bett. Er merkte, wie er zitterte.
Die Schemen hatten ihn getäuscht. Er hatte die Gefahr nicht rechtzeitig erkannt. Er war davon ausgegangen, daß die Schemen sich verändern würden. Daß sie es sein würden, die ihn angriffen. Aber er hatte sich getäuscht. Die Bedrohung kam von draußen. Die Schatten hatten ihm den Blick verstellt. Vierundfünfzig Jahre lang hatte er sich täuschen lassen. Er war der Meinung, davongekommen zu sein. Jetzt sah er ein, daß das ein Irrtum war. Die Bilder von damals, aus dem furchtbaren Jahr 1945, wallten in ihm auf. Er entkam ihnen nicht.
Er schüttelte den Kopf und dachte, daß er sich trotzdem nicht freiwillig ergeben würde. Er wußte nicht, wer sich dort draußen in der Dunkelheit aufhielt und seinen Hund getötet hatte. Aber Shaka hatte ihn noch warnen können. Er würde sich nicht freiwillig ergeben.
Er trat sich die Stiefel von den Füßen, zog sich ein Paar Strümpfe an und suchte die Turnschuhe unter dem Bett hervor. Die ganze Zeit horchte er auf Geräusche. Wo blieb die Dämmerung? Wenn es erst hell wurde, würden sie ihm nicht beikommen können. Er wischte sich seine schweißnassen Hände an der Bettdecke ab. Das Gewehr gab ihm Sicherheit. Er war ein guter Schütze. Er würde sich nicht überrumpeln lassen.
Im selben Augenblick stürzte das Haus zusammen. Zumindest kam es ihm so vor. Das Getöse war so gewaltig, daß er sich auf den Fußboden warf. Weil er den Finger am Abzug hatte, löste sich ein Schuß und traf
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