Die Rückkehr (German Edition)
nicht wiedererkannt. Aber warum sollte sie auch? Damals war er jung und glücklich gewesen, ein glatt rasierter, frischgebackener Ehemann, einhundert Prozent dämonenfrei.
»Was wissen Sie über Margaret Percival?«, fragte Wayne Violet.
»Nur, was im Gästebuch steht.« Violet öffnete den Fernsehschrank, als ob sie sicher gehen wollte, dass die Zimmermädchen das Gerät nicht gestohlen hatten.
»Eine Frau aus West Virginia, die im Februar 1948 dieses Zimmer bezog.«
»Ich denke nicht, dass das Farbschema seitdem geändert wurde.« Sie schlug auf das dunkle Blümchenmuster auf den Velourvorhängen, woraufhin ein träger Staubnebel vor dem sonnenbeschienenen Fenster wirbelte.
Margaret war eine Kriegswitwe gewesen, die für ein Wiedersehenstreffen der Camp Creek Schwesternschaft in die Stadt gekommen war. Während der Großen Depression hatte diese Gruppe wohlhabender weiblicher Teenager die Sommer hier verbracht, in ihren schlabbrigen einteiligen Badeanzügen, mit Bootfahren, am Lagerfeuer »Tomorrow« singen und über Jungs reden, wenn sie nicht mitten in der Nacht davongeschlichen waren, um sie im Kino zu treffen und im Dunkeln zu fummeln.
Vielleicht war dieses Wiedersehenstreffen ein Versuch gewesen, die verlorene Unschuld der Jugend zurück zu erobern, oder vielleicht wollte sich Margaret nach einer anrüchigen Vergangenheit einen Anschein der Achtbarkeit geben. Aber sie schaffte es nie bis zum Wiedersehensmittagessen, denn an einem Sonntag zwischen zwei und vier Uhr morgens verschwand sie vom Angesicht der Erde. Die Polizeiberichte deuteten an, dass sie in anderen Umständen gewesen sein könnte, und eine alleinstehende Mutter und mutmaßliche Prostituierte konnte sich heimlich über die Grenze gestohlen haben, um das Problem aus der Welt zu schaffen.
Hotelleitungen bauten ihr Geschäft auf ihrem guten Ruf auf, und mysteriöses Verschwinden war die Art von öffentlicher Aufmerksamkeit, die man eigentlich vermeiden wollte. Es war ein Zeichen dafür, wie tief das White Horse Inn gesunken war, dass man nun versuchte, aus den schäbigen, übernatürlichen Aspekten Kapital zu schlagen.
Genau wie ich. Uns wurde beiden heftig mitgespielt, seit sich unsere Pfade zum letzten Mal kreuzten.
Und es gab einen vierten Fall, völlig inoffiziell, einen, den Wayne in seinem Innern trug wie einen Latexhandschuh voller zerbrochenem blutigem Glas. Er hatte seine Rückkehr so lange hinausgezögert wie er konnte, aber Beth würde vielleicht nicht für immer warten.
Violet ging zur Kommode neben dem Bett, auf der der Wecker blinkte. »Alte elektrische Leitungen«, sagte sie. »Das Radio schaltet sich auch von selbst an.«
»Lassen Sie mich raten. Ich werde jeden Morgen um drei Uhr mit der Titelmelodie von ›Der Exorzist‹ geweckt werden.«
Die Ecken des Zimmers waren, ebenso wie die restlichen im Hotel, jeweils um zwei bis drei Grad verschoben. Sich durchbiegende Böden und Deckenbalken, verzogene Fensterrahmen und unregelmäßige Zwischenräume zwischen den Rissen im Kranzprofil vermittelten ein Gefühl des Verfalls und der Verzweiflung.
Das Unbehagen wurde verursacht, weil man Regelmäßigkeit erwartete und die verzerrte Geometrie einen spürbaren Eindruck auf das Gehirn machte. Sie übte einen Druck aus, der die Haut kribbeln und die Lungen stottern ließ, alles Tricks, die der Geist mit dem Körper spielte. Gemeinsam mit der außer Rand und Band geratenen Elektrik, die die elektrischen Signale im Hirn durcheinander brachte, ergab das Gebäude ein wunderbares Labor für die Lebenden ab.
Und einen lustigen Spielplatz für die Toten.
Violet stellte die Uhr neu ein, während Wayne die Größe des Raums abschätzte und überlegte, wie viele Geisterjäger darin Platz finden würden. Er hätte das Zimmer für sich selbst buchen, Apparate aufstellen und seine persönliche kleine Teegesellschaft abhalten können, aber eine Konferenz für paranormale Phänomene gab der Totenbeschwörung einen Anschein von Seriosität. Außerdem ergab sich der Nebeneffekt, dass er seinen Dämonen nicht alleine ins Auge blicken musste.
Aber er hätte sie nicht mit hineinziehen sollen.
Er spähte durch die Vorhänge. Unten saß Kendra auf einer Betonbank. Ihr Bleistift flog über das Papier, sie war in ihrer eigenen kleinen Fantasiewelt versunken. Sie war ortsungebunden und selbstgenügsam, und Wayne unterstützte diese Eigenschaften nicht nur, er nutzte sie auch in großem Umfang aus.
»Sie glauben nicht an Geister?«, fragte Wayne.
»Sie
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