Die Rückkehr (German Edition)
Die Rückkehr
Kapitel 1
»Und hier ist das Zimmer, in dem es am meisten spukt, Mr. Wilson.«
Das Messingschild an der Brust der Hausdame verkündete »Violet«, ein altmodischer Name, der im Gegensatz zu ihrem Hosenanzug von JC Penney stand. Anfang zwanzig und attraktiv, scheiterte ihr Make-up doch an der Aufgabe, um ihre Augen herum die schweren Jahre zu verbergen. Aber Wayne Wilson hatte selbst schwere Jahre hinter sich, und er hütete sie im Sarg seines Herzens.
»Nennen Sie mich ›Digger‹«, sagte er.
»›Digger‹?«, fragte Violet.
»Ich habe diese Bestatter-Masche am Laufen«, gab er zu und fühlte sich unter dem starren Blick ihrer blauen Augen etwas verlegen. »Der Zylinder und die viktorianischen Rockschöße. Teil der Veranstaltung.«
Wow. Beth, wenn du wirklich hier bist, wirst du sehen können, was für ein Clown aus mir geworden ist.
Doch die Toten blieben tot, und das Beste an ihnen war, dass sie nicht in der Lage waren, einen im Nachhinein zu kritisieren. Aber das Schlimmste an ihnen war, dass sie nicht da waren, wenn man sie brauchte.
»Also, haben Sie selbst irgendwelche Erfahrungen hier gesammelt?«, fragte Wayne, während er die Einrichtung beäugte und gegen eine Flut von Erinnerungen ankämpfte.
»Ich war noch nie auf Hochzeitsreise, und wenn, dann würde ich einen etwas exotischeren Ort auswählen als die Berge von North Carolina. Vielleicht den Vergnügungspark von Dolly Parton oder Paris.«
»Ich dachte eher an ›übernatürliche Erfahrungen‹.«
»Nur die hirntoten Zombies, die mich an der Bar anbaggern wollen.«
Wayne hörte nicht richtig zu. Das Hauptschlafzimmer von Zimmer 318 hatte sich seit seinem Aufenthalt siebzehn Jahre zuvor kaum verändert. Die Rosen auf der Tapete waren vergilbt, und an jeder Wand hing ein Bild mit herbstlicher Bergwelt. Die nachgemachten Möbel im Queen-Anne-Stil, abgeschlagen und mit Brandwunden durch Zigaretten gezeichnet, ein lila Plüschteppich, in dem sich Nagetiere vermehren konnten, und das breite Himmelbett waren noch genauso wie in seiner Hochzeitsnacht.
Sogar die Dekokissen schienen noch dieselben zu sein, überzogen mit fettigem Satin. Sie lagen am Kopfende genau wie sein Kopf und der von Beth in einer kalten Herbstnacht gelegen hatten. Bevor sie die Tür öffneten.
»Die Direktorin freut sich, dass Sie das White Horse für Ihre Konferenz ausgewählt haben«, sagte Violet.
Ich habe nicht gewählt. Ich wurde auserwählt.
»Sie genießen einen ziemlichen Ruf«, sagte Wayne. »Niemand kann seine Geister lange geheim halten.«
»Geister sind gut fürs Geschäft. Vor allem in der Nebensaison.«
»Es sollte gut für uns beide sein.«
»Wir haben etwa 50 Buchungen für das Wochenende.«
»Zu dumm, dass Sie Ihren unsichtbaren Gästen keine Rechnungen stellen können. Sie haben mindestens drei hier in 318.«
»Ah, Sie haben im Geister-Gästebuch geblättert«, sagte sie. Sie bezog sich auf das Tagebuch an der Rezeption, in dem Gäste und Angestellte wahrheitsgemäß ihre Begegnungen mit Geistern festgehalten hatten.
Eines der Opfer war ein Börsenmakler gewesen, der während seiner Flitterwochen einen Herzinfarkt erlitten hatte, und obwohl die Legende behauptete, dass er auf seiner frisch angetrauten Frau liegend verschieden war, hieß es im Bericht des Rettungsdienstes, dass er auf dem Boden vorgefunden wurde, ein halbes Corn-Dog-Würstchen im Mund und neben sich in einem Eimer voller Wasser eine leere Sektflasche.
Der zweite war ein Springer gewesen, ein belegter Todesfall, in dem ein verzweifelter Werkzeughersteller eine bitterböse Schimpftirade über eine untreue, hinterhältige Schlampe abgelassen hatte, bevor er sich vom Balkon stürzte. Sein Fall hätte ihm wahrscheinlich nicht viel mehr eingebracht als ein paar Knochenbrüche – wenn er es geschafft hätte, den Laternenpfahl zu verfehlen. Man konnte es Zufall nennen oder auch Pech, aber es gab eine viel bessere Lagerfeuergeschichte ab, wenn man »die niederträchtige Hand des Bösen« dafür verantwortlich machte.
Das dritte Opfer war am interessantesten für Wayne, weil es nicht so gewöhnlich war wie die anderen Tode, die sich in kaum etwas von dem unterschieden, was man in jedem alteingesessenen amerikanischen Hotel hören konnte. Wie hatte es die Hoteldirektorin, eine vertrocknete lebende Mumie namens Janey Mays, formuliert? Jedes Gebäude, das ein paar Generationen überdauert hat, kann mit einer Liste seltsamer Geschehnisse aufwarten.
Janey hatte ihn
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