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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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keine gesehen hatte. Sie trug ein glänzendes Seidenkleid und einen kleinen Hund auf dem Arm. Ihre Haut war makellos, ihre Augen ausdrucksvoll und voller Tiefe. Aber es war etwas Unsichtbares, was Wera am meisten faszinierte. Diese Frau schien eine innere Leuchtkraft zu besitzen, und alle anderen Menschen, die ebenfalls auf dem Trottoir standen, schienen sich an ihr auszurichten. Wie Motten, die um ein Licht flatterten. War das ihre Patentante Olga?
    Daneben stand eine zweite Frau, ebenfalls sehr hübsch. Sie hatte ihre rechte Schulter in einer beschützenden Weise vor die schöne Frau geschoben, als wollte sie diese vor jeglicher Unbill abschirmen. Ihr Blick war offen und freundlich, um ihren Mund lag jedoch ein energischer Zug, den Wera allzu gut kannte. Mit dieser Frau war nicht gut Kirschen essen!
    Die Schöne und die Hübsche hatten sich beide schwarze Blumen ans Revers gesteckt.
    Noch mehr Damen, wahrscheinlich Angehörige des Hofes, standen hinter ihnen. Auf den ersten Blick konnte Wera nichts Besonderes an ihnen erkennen. Viel interessanter waren die drei Herren, die ein wenig abseits standen. Jeder war auf eine besondere Art gutaussehend. Der Mann links, der mit der schneidigen Uniform, gefiel Wera am besten. Sie runzelte die Stirn. Warum waren alle Menschen in Württemberg so hübsch? Und warum trugen die Damenschwarze Blüten am Revers und die Herren schwarze Bänder um den Arm, das klassische Zeichen für Trauer an einem königlichen Hof?
    »Wera Konstantinowa! Wo bleiben Sie denn?« Mit Dr. Haurowitz’ Frage schwappte ein Schwall Mundgeruch in die Kutsche.
    Also gut! Wera holte tief Luft und stürzte an ihrem Reisebegleiter vorbei ins Unvermeidliche. Da Dr. Haurowitz’ rechter Fuß noch den Tritt okkupierte, blieb ihr nichts anderes übrig, als direkt aufs Trottoir zu springen. Sie stolperte und landete in den ausgebreiteten Armen der viel zu schönen Frau.
    »Mein liebes Kind …« Die Frau lächelte. Und sie roch gut. Einen Wimpernschlag lang atmete Wera den feinen Duft ein, dann riss sie sich los.
    »Ich bin nicht Ihr liebes Kind!« Wie ein angriffslustiger Stier stampfte sie mit dem rechten Fuß auf den Boden auf und schaute in die Menge, deren Blicke ihrerseits auf Wera gerichtet waren. Die Leute schauten nicht, sie starrten sie in einer Weise an, die sie gut kannte. Hierin waren sich die Menschen in Stuttgart und Petersburg also gleich.
    Es war schließlich Dr. Haurowitz, der die Initiative ergriff, indem er sich als Leibarzt des Großfürsten Konstantin vorstellte.
    »Bestimmt möchte Fräulein Wera Konstantinowa nun ordentlich guten Tag sagen.« Er warf ihr einen seiner strengen Blicke zu, bei dem Gustl und Moritz wild auf und ab hüpften.
    »Wera, liebes Kind, erkennst du mich nicht mehr? Ich bin deine Patentante Olly«, sagte die schöne Dame lächelnd. »Und schau, dies ist Baronin Evelyn von Massenbach. Meine liebe Hofdame wird dir auf allen Wegen zur Seite stehen. Und das hier ist dein lieber Onkel Karl.« Sie zeigte auf einen der drei Herren, der sie anblickte, als habe er noch nie ein neunjähriges Mädchen gesehen. Wera hätte ihm am liebsten die Zunge herausgestreckt.
    »Freiherr Wilhelm von Spitzemberg ist Karls Generaladjutant. Und der Herr zu meiner Linken ist Cäsar Graf von Beroldingen, unser aller Stallmeister. Er hat letzte Woche ein wunderschönes Pony für dich besorgt, nicht wahr, mein lieber Graf?«
    DerMann in der schneidigen Uniform nickte. Wie alle Herren trug er ein schwarzes Band um den rechten Arm. Der Stuttgarter Hof trug Trauer.
    Wera presste die Lippen zusammen. Sie brauchte kein Pony. Zu Hause im Stall wartete Kalinka auf sie.
    »Tragen Sie Trauerflor, weil ich gekommen bin? Ich kann auch wieder gehen!«, sagte sie bissig, während sie auf die schwarzen Blüten wies. Sogleich bekam sie von Dr. Haurowitz einen kleinen Stoß in den Rücken.
    Ihre Patentante und die Hofdame wechselten einen entsetzten Blick.
    »Aber Kind, wie kommst du auf solch eine Idee? Wir trauern, weil unser geschätzter Minister und Hofmarschall Friedrich Graf von Zeppelin heute früh gestorben ist.«
    »Können Sie nicht einmal Ihren Mund halten?«, zischte Dr. Haurowitz in Weras Ohr. »Was haben Sie nun schon wieder angerichtet …«
    Sie hatte schon wieder alles falsch gemacht. Wie immer. Wera drückte ihre geballte rechte Hand auf ihren Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken.
    »Das … wollte ich nicht«, nuschelte sie. »Sie müssen mir glauben, bitte! Ich wollte nicht, dass der

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