Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
Würde er mich auch, mit dem gleichen Ausdruck ewigen Bedauerns, umbringen, wenn man es ihm befiele? Aber wahrscheinlich stellte ich mir die Arbeit beim Verfassungsschutz viel zu dramatisch vor. Diese Leute töten wahrscheinlich nur in Romanen oder im Film. In der Wirklichkeit wälzen sie, wenn sie nicht gerade einen Hochverdächtigen wie mich befragen, vorwiegend Akten, tippen mit ungeschickten Fingern Vernehmungsprotokolle in dreifacher Ausfertigung, legen »Vorgänge« an oder versuchen, ein paar Restauranttermine mit der Familie in die Spesenabrechnung einzuarbeiten.
Waldeck wiederholte seine Frage, für wie naiv ich sie halte, mit einer solchen Geschichte zu kommen.
»Was genau stört Sie an meinem Bericht?«
»Herr Dr. Hoffmann, ich will Ihnen und Ihrer Freundin mal die gute Absicht unterstellen, wenigstens am Anfang. Kann ja sein. Aber auch wir vom Verfassungsschutz kennen uns ein wenig aus mit den Verhältnissen in Osteuropa und im Nahen Osten. Sie wollen uns doch nicht erzählen, daß Frau Bergkamp ohne ausgesprochen gute Kontakte zu den entsprechenden Kreisen dort Lastwagen voll mit wertvollen Medikamenten und medizinischen Instrumenten unbeschadet durch die Gegend fährt und tatsächlich sowohl mit den Lastwagen wie auch mit der kompletten Fracht bis in das irakische Kurdistan kommt. Also, alles was recht ist!« .
Tatsächlich war die Fracht in Kurdistan nicht mehr ganz komplett, und was Waldecks Bedenken hinsichtlich Transporten durch Osteuropa betraf, waren sie wahrscheinlich eine korrekte Beschreibung der Realität. Aber wieder kannte er Celine nicht. Am besten hatte mir ihr E-Mail-Bericht von der bulgarischen Grenze gefallen, wo man sie nur gegen Abgabe mindestens der Hälfte der mitgeführten Sachen durchlassen wollte. Nach einer Nacht mit fünf Flaschen Slibovicz und unzähligen Runden Poker hatten sich die Schlagbäume gehoben. Aber, noch einmal: Man muß Celine kennen, um diese Geschichte zu glauben. Für mich hätte sich auch nach fünf Kisten Slibovicz die Grenze nicht geöffnet, sicher auch nicht für meine beiden Freunde vom Verfassungsschutz. Aber Einzelheiten gingen die beiden nichts an, ihnen gegenüber beließ ich es bei dem Hinweis auf Frau Bergkamps »ungewöhnliche Durchsetzungskraft«.
Waldeck war nicht überzeugt, ganz und gar nicht, dafür um so mehr von seiner eigenen Theorie.
»Ich will Ihnen sagen, wie man so einen Transport da unten durchbekommt. Sie haben es vorhin selbst erwähnt: mit Drogen zum Beispiel. Für ein paar Kilo ist in einem Lastwagen immer Platz. Natürlich nur um der guten Sache willen.«
Seit wann kümmerte sich der Verfassungsschutz um Drogen? Soweit ich wußte, waren Drogen das neue Hobby des Bundesnachrichtendienstes, nachdem ihm die kommunistischen Spione ausgegangen waren. Vielleicht aber war genau das auch der Grund für ihre absurde Unterstellung.
»Da habe ich wohl in der Schule nicht richtig aufgepaßt. Heutzutage werden also Drogen von hier in den Irak geschmuggelt?«
Jablonske versuchte, seinem Kollegen zu helfen.
»Sie machen sich keine Vorstellungen, was auf dieser Strecke alles versucht wird. Aber wir sprechen natürlich von dem umgekehrten Weg.«
Waldeck nahm die Vorlage an.
»Wir meinen, der ganze private Hilfskonvoi für die armen Kurden im Irak könnte nur ein Vorwand gewesen sein, Drogen auf dem Rückweg mitzubringen. Sie wissen doch: keine Leerfahrten! Oder, bei gutwilliger Interpretation, um den nächsten Hilfskonvoi zu finanzieren.«
»Ich verstehe. Im Irak gab es dann Streit um den Preis, da hat Frau Bergkamp eine Bombe geworfen und sich aus Ärger gleich selbst mit in die Luft gesprengt, ist logisch, vollkommen klar. Wie sonst soll es gewesen sein!«
Ich konnte das Geschniefe von Jablonske nicht weiter mit ansehen und holte ihm eine Rolle »Wisch-und-Weg« aus der Küche. Mir brachte ich eine Flasche Bier mit. Das gab den beiden Zeit, eine neue Theorie aus dem Hut zu zaubern.
»Drogen sind ja nicht das einzige, was auf dieser Strecke gerne transportiert wird. Zum Beispiel ist auch eine Ladung Sempex aus der Tschechei immer ein willkommenes Mitbringsel.«
Klar, macht man in der Medizin auch: Kommt man mit einer bestimmten Annahme nicht weiter, ordnet man Symptome und Laborergebnisse neu, versucht es mit einer anderen Diagnose. Die beiden stocherten ganz offensichtlich im Nebel, wobei sie jetzt der Wahrheit etwas näher kamen.
Zwar hatte niemand versucht, Celine diesen praktischen Sempex-Sprengstoff unterwegs anzudrehen,
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