Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
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Deutschland, Pfingstmontag, achtzehn Uhr Sommerzeit. Der Abend, an dem mein Patient Mischa starb, verdiente endlich die Bezeichnung warmer Sommerabend. Durch die offenen Balkontüren schlich sich ein appetitlicher Grillgeruch in mein Wohnzimmer ein, allerdings nicht so kräftig wie am vergangenen Wochenende. Am Abend des 12. Juni gab es für Deutschlands Männer etwas weitaus Wichtigeres als Grillen: unser erstes Spiel in Holland. Und wenn Deutschland spielt und die Sportart nicht weiter benannt wird, geht es natürlich um Fußball. Ich jedenfalls hatte mich ordentlich vorbereitet. Mein Bier war auf Temperatur, meine Kräcker mit Frischegarantie griffbereit und mein Lieblingsdip in ausreichender Menge vorrätig. Ich konnte nur hoffen, daß unsere Jungs ebenso gründlich vorbereitet waren. Sie sollten zwar nur gegen Rumänien spielen, aber, wie die Kommentatoren drohend wiederholten, auch so ein Spiel muß erst einmal gewonnen werden.
Ich bin weder besonders fußballbegeistert und erst recht kein Experte. Aber wenn Millionen meiner Landsleute so einen Abend gemütlich finden, muß doch was dran sein. Es ist zudem deutlich weniger anstrengend als ein gepflegter Abend mit Wein und dem Feuilleton oder sich etwa intelligent zu unterhalten. Außerdem – mit wem unterhalten? Eben mal ein Bier nebenan und die Erfolgsmenschen aus der Nachbarschaft treffen? Das führt unweigerlich zu tiefen Depressionen und zu der Frage, ob es wirklich so viel Dummheit braucht, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Als Klinikdoktor war es für mich nichts Besonderes, daß ich den größten Teil des Pfingstwochenendes in der Klinik verbracht hatte. Trotzdem, nach acht Jahren als Klinikarzt habe ich immer noch Schwierigkeiten mit meinem Platz in diesem System. Das Krankenhaus ist ein Aufbewahrungsort für Patienten, die durch ihr Dortsein den Apparat unterhalten. Sie sollen Ärzten, Schwestern, Küchenpersonal, Verwaltungsangestellten, Putzfrauen, Zulieferfirmen, Pharmamultis und Hunderten von Angehörigen die Existenz sichern. Darüber hinaus ist es ihre Aufgabe, uns Ärzten unsere Fortbildung und unser Weiterkommen zu ermöglichen. Mit anderen Worten, ich habe immer noch nicht begriffen, wer im Krankenhaus für wen da ist. Begriffen vielleicht schon, aber nicht umgesetzt. Ich bin immer noch ein Don Quichotte im Arztkittel, der zwar gelernt hat, daß er die Krankheiten nicht ausrotten kann, sich aber wenigstens bemüht, der Natur nicht dazwischenzupfuschen, wenn sie einen Patienten heilen will. Was sie manchmal entgegen den vereinigten Energien aller am Medizingeschäft Beteiligten und gegen alle Lehrbuchmeinung tatsächlich schafft.
Jedenfalls hatte ich zum heiligen Pfingstfest meinen Teil zum Überleben der Menschheit beigetragen und war bereit für meinen deutschen Abend: Bier mit Fernsehen, Fernsehen mit Bier. Erst vorgestern hatte ich Nachtdienst gehabt und war gestern abend entsprechend tot ins Bett gefallen. Ich hatte mir meinen deutschen Abend verdient. Ein Abend, wie ihn nur wir Singles richtig genießen können: kein Streit über das Fernsehprogramm, keine Gute-Nacht-Geschichte für die Kinder, keine Gefahr, ausgerechnet heute abend in eine Beziehungsdiskussion verwickelt zu werden.
Ich überlegte noch, ob ich zur Sicherheit das Telefon ausstellen sollte. Aber das Risiko, heute als Ersatzmann zum Nachtdienst gerufen zu werden, war fast null, Abramschik war dran, und wenn der plötzlich krank sein sollte, wäre Adam dran, der nächste im Alphabet. Der Abstand zu »H« wie Hoffmann war ausreichend groß, auch wenn sich während der Ferienzeit die Abstände überraschend schnell verkürzen können. Ich stellte das Telefon nicht ab, weil an Fußballabenden gelegentlich Celine vorbeikommt. Und – das ist eine ihrer vorteilhaften Eigenschaften – sie ruft immer vorher an, als Co-Single teilt sie meinen hohen Respekt vor der Privatsphäre. Außerdem bringt sie oft noch eine Pizza mit oder was vom Chinesen.
Im Gegensatz zu mir ist Celine ein echter Fußballfan, springt bei jedem Tor, Fast-Tor oder Foul auf und braucht mich als Auditorium für ihre fachlichen Kommentare. Sie kommt dabei ganz selbstvergessen in die eigenartigsten Stellungen. Ihr kurzer Rock würde sich hochschieben, und ich könnte mich an ihrem appetitlichen Hintern erfreuen, oder ihre Bluse würde verrutschen mit freier Sicht auf ihre niedlichen kleinen Brüste. Diese Spannerei ist ziemlich albern, weil wir uns nach diesen gemeinsamen Fernsehabenden in der Regel
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