Die Saeulen der Macht
schlichten Soldatenkleidung der letzten Jahre hatte er einen zerschlissenen blutroten Umhang umgelegt. Eine Ausbuchtung in Schulterhöhe verriet, dass er darunter etwas GröÃeres verbargâ im besten Fall eine Laute, wahrscheinlicher aber ein Schwert, das zu lang war, um es an der Hüfte zu tragen. Das hinderte ihn jedoch nicht, zusätzlich gleich zwei Schwerter an seinem Gürtel festzuschnallen. Nicht nur die übertriebene Bewaffnung, auch seine stolze, aufrechte Haltung und die breiten Schultern verrieten, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war.
Wurzel und Krone, dachte Ralnir erschrocken, ich wollte aus einem dem Tod preisgegebenen Prinzen, aus einem jähzornigen, aufbrausenden Wichtigtuer einen König machen. Stattdessen habe ich einen Krieger geschaffen.
Seine gröÃte Macht hielt Tahan verborgen. Seine Hände steckten in fingerlosen Lederhandschuhen, wie man sie beim Fechten verwendete, und an einem Finger prangte ein auffällig groÃer Wappenring.
Vielleicht hatte Jalimey das Kleidungsstück und den Ring für ihn gestohlen. Waren die beiden ein Paar? Hatten Tahans Träume sich erfüllt?
Ralnir wagte einen letzten vorsichtigen Schritt. Er musste hören, was sie redeten. Er musste wissen, ob er sich getäuscht hatte. Ob der Mann, für den er seinen Meisterrang aufgegeben hatte, es wirklich wert war. Denn es konnte noch einen anderen, weitaus weniger edlen Grund für das geben, was Tahan getan hatte.
Ein Prinz ohne Verantwortungsgefühl, ohne echte Treue. Der lieber die Götter herausforderte, als seine Pflicht zu tun. Der gewusst hatte, was als König auf ihn zukommen würde: eine Verbindung ohne Liebe, mit einer intriganten Giftschlange, die ihn schon einmal an der Nase herumgeführt hatte. Selbst die baldige Aufhebung der Leibeigenschaft konnte dem König von Terajalas nicht geben, was der König begehrte: ein einfaches Mädchen aus dem Volk.
Noan hatte sich gefügt. Noan wusste, was sein Amt von ihm verlangte.
Und Tahan? Ralnir seufzte innerlich. Tahan war niemand, der sich fügte. Nicht einmal dem Willen der Götter.
Hatte er Noan in ein Leben voller Pflicht und Verantwortung gestoÃen, um den Nebenbuhler loszuwerden und seine Freiheit zu behalten, wie Berias später wutschnaubend behauptet hatte?
Sein Zorn war mit ihm durchgegangen, als Tahan einfach aus der Säulenhalle marschiert war und es den Mönchen überlassen hatte, auf Noans Wiedergeburt aus dem Baum zu warten. Als Ralnir nichts unternommen hatte, um den Prinzen aufzuhalten.
» Er kann nicht geläutert sein, niemals! « , hatte sein jüngerer Ordensbruder geschrien, sein Gefährte bei unzähligen Wanderungen und Ritualen. » Er ist durch und durch verdorben! Der Sohn eines Wahnsinnigen! «
» Selbst der Sohn eines Wahnsinnigen verdient eine Chance. «
Berias unterdrückte einen Schrei. » Wann habt Ihr dies geplant? Schon damals, als Ihr ihn verurteilt habt? Oh Meister Ralnir, Eure fehlgeleitete Güte bringt mich noch zur Verzweiflung. Was, wenn der Prinz diese Entscheidung eines Tages bereut? Wenn es ihm in den Sinn kommt, dass der Thron und Ghi Naral und Terajalas sein Erbe sind, dass sie eigentlich ihm gehören sollten? Was, wenn er dem Drängen des Baumes nicht mehr widerstehen kann? Geht dann alles von vorne los? Königsmord und Krieg und ein Baum, der satt wird von blutgetränkter Erde? Habt Ihr schon mal darüber nachgedacht, dass Dasnaree recht gehabt haben könnteâ dass er zwar das Land geschwächt hat durch das viele Glas, aber dass allein Prinz Tahans unbeherrschter Zorn den Baum zur Raserei gebracht hat, weil sie immer noch miteinander verbunden waren? «
Ralnirs Antwort hatte in seinen eigenen Ohren schwach und ausweichend geklungen. » Wie kannst du etwas auf Dasnarees Worte geben? Dieser Wahnsinnige hat den Baum verdorben, er allein. Prinz Tahan hat edelmütig verzichtet. Je länger sie andauert, umso inniger wird die Verbindung zwischen Noan und dem Baum sein. Noan ist aus anderem Holz geschnitzt als Dasnaree. In ihm ist die verlorene Quelle der Gerechtigkeit zu uns zurückgekehrt. «
» Und wenn das dem Baum völlig gleich ist? « , wetterte Berias. » Was wissen wir schon von den Vier! Sie sind Gewalten ohne Vernunft, sie machen keinen Unterschied zwischen Gut und Böse! Was, wenn die Liebe des Baums zu diesem verdorbenen Prinzen gröÃer ist, als wir es uns
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