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Die Säulen der Schöpfung - 13

Die Säulen der Schöpfung - 13

Titel: Die Säulen der Schöpfung - 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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lockigen Haars lugten über seinen Ohren unter ihr hervor und wehten sacht im Wind. Es schien, als könnten die schmalen, widerwärtigen Lippen ihnen jeden Moment aus der Welt der Toten zulächeln. Das Gesicht des Mannes machte den Eindruck, als sei er zu Lebzeiten so unbarmherzig gewesen wie der Tod.
    Kaiser Jagangs dumpfe Bestürzung angesichts des auf einer Speerspitze aufgespießten Kopfes unmittelbar vor seinen Augen sowie die Tatsache, daß nicht einer der Zehntausende von Männern sich auch nur zu räuspern wagte, ließ Jennsens Herz schneller schlagen als bei dem verwegenen Galopp auf Rustys Rücken.
    Vorsichtig riskierte Jennsen einen Seitenblick auf Sebastian. Er stand ebenfalls wie vom Donner gerührt. Als sie den Ausdruck in seinen aufgerissenen, tränenüberströmten Augen sah, drückte sie ihm voller Mitgefühl den Arm. Schließlich beugte er sich zu ihr, um ihr mit tränenerstickter Stimme etwas zuzuflüstern.
    »Bruder Narev.«
    Der Schock der beiden kaum hörbar geflüsterten Worte traf Jennsen wie ein Schlag ins Gesicht. Es war der große Mann höchstpersönlich, das geistige Oberhaupt der gesamten Alten Welt, Kaiser Jagangs persönlicher Freund und engster Berater – ein Mann, von dem Sebastian glaubte, daß er dem Schöpfer näher stand als jeder andere Mann, der je das Licht der Welt erblickt hatte, ein Mann, dessen Lehren Sebastian peinlich genau befolgte …
    Der Kaiser streckte seine Hand vor und zog ein kleines, zusammengefaltetes Stück Papier heraus, das seitlich in Bruder Narevs Kappe steckte. Als Jennsen sah. wie Jagang den sorgfältig gefalteten Zettel mit seinen fleischigen Fingern auseinanderklappte, fühlte sie sich unerwartet an den schicksalhaften Tag erinnert, als auch sie, bei einem toten d’Haranischen Soldaten auf dem Grund der Schlucht, einen kleinen Zettel gefunden und auseinandergefaltet hatte, an jenen Tag, an dem sie Sebastian zum ersten Mal begegnet war, an den Tag, bevor die Soldaten Lord Rahls sie aufgespürt und ihre Mutter umgebracht hatten.
    Kaiser Jagang hielt das Stück Papier vor sich, um schweigend zu lesen, was darauf stand. Eine beängstigend lange Zeit schien er einfach nur auf das Papier zu starren; schließlich ließ er den Arm schlaff an seinem Körper herabfallen. Eine ungeheure Wut kochte in ihm hoch und ließ seine Brust anschwellen, während er Bruder Narevs Kopf auf der Spitze des Speers betrachtete. Mit glutvoller, von bitterer Empörung erfüllter Stimme wiederholte Jagang den Text des Zettels gerade laut genug, daß die Umstehenden ihn hören konnten.
    »Mit besten Empfehlungen von Richard Rahl.«
    Der auffrischende Wind fuhr stöhnend durch eine nahe Baumreihe. Niemand sprach ein Wort, alles wartete auf Weisungen des Kaisers.
    Der üble Gestank ließ Jennsen die Nase rümpfen. Sie blickte hoch und sah, daß der Kopf, der eben noch so perfekt schien, vor ihren Augen zu verwesen begann. Der Unterkiefer klaffte auf. Der schmale Strich des Mundes weitete sich, so daß man fast meinen konnte, er setze an zu einem Schrei.
    Zusammen mit allen anderen, Kaiser Jagang eingeschlossen, wich Jennsen einen Schritt zurück, als das Fleisch des Gesichts in plötzlichem Verfall auf schauderhafte Weise aufzuplatzen begann und das faulige Gewebe darunter sichtbar wurde. Die Zunge schwoll an, während der Kiefer weiter nach unten klappte, die Augäpfel kippten nach vorn aus ihren Höhlen und schrumpften ein. Klumpen stinkenden Gewebes lösten sich und fielen zu Boden.
    Was normalerweise ein monatelanger Zerfallsprozeß gewesen wäre, geschah hier in Sekundenschnelle, und zurück blieb ein Totenschädel unter einer geknifften Kappe, der sie durch Fetzen schlaff herabhängenden Gewebes angrinste.
    »Er war mit einem magischen Netz umgeben, Exzellenz«, sagte Schwester Perdita; fast klang es wie die Antwort auf eine unausgesprochene Frage. Jennsen hatte gar nicht bemerkt, daß sie sich ihnen von hinten genähert hatte. »Der Bann hat ihn in diesem Zustand erhalten, bis Ihr den Brief aus der Kappe zogt, wodurch der Zauber, der ihn konservierte, aufgehoben wurde. Nachdem die Magie entfernt war, durchliefen seine … sterblichen Überreste den üblichen Verfallsprozess, wie er normalerweise längst stattgefunden hätte.«
    Kaiser Jagang musterte sie mit seinen kalten, unergründlichen Augen. Jennsen konnte nicht wissen, was er dabei dachte, sah aber den unbändigen Zorn, der hinter diesen alptraumhaften Augen aufkam.
    »Der Schutzmechanismus, der ihn bis zu dem Augenblick

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