Die Saga vom Dunkelelf 5 - In Acht und Bann
Drizzt, jedenfalls nicht bevor er die Absichten seiner neuen Begleiter wirklich verstand.
Zusammen mit den Gnollen marschierte Drizzt die tiefer gelegenen, windigen Bergpässe hinunter. Die Gnolle hielten Abstand zu dem Dunkelelf. Ob aus Respekt vor Drizzt und dem Ruf, den seine Rasse hatte, oder aus einem anderen Grund, das konnte er nicht wissen. Drizzt argwöhnte, dass sie wahrscheinlich wegen seines Geruchs Abstand hielten, denn das Bad hatte nicht viel genützt.
Der Gnollanführer sprach Drizzt ziemlich häufig an und unterstrich seinen Wortschwall mit einem verschlagenen Zwinkern oder mit einer plötzlichen Bewegung seiner dicken, fleischigen Hände. Drizzt hatte nicht die geringste Ahnung, wovon der Gnoll sprach, aber aus der Art und Weise, wie die Kreatur sich eifrig die Lippen leckte, schloß er, dass er ihn zu einer Art Festgelage führte.
Schon bald erriet Drizzt, welches Ziel die Truppe hatte, denn er hatte oftmals, wenn er auf den hochaufragenden Kämmen der Berge saß, die Lichter einer kleinen Bauerngemeinde im Tal gesehen. Drizzt war sich über die Beziehung zwischen den Gnollen und den bäuerlichen Menschen nicht ganz klar, aber er spürte, dass sie nicht freundlich war. Als sie dem Dorf näher kamen, bewegten sich die Gnolle nur noch vorsichtig weiter, sprangen von einem Strauch zum anderen und hielten sich so weit wie möglich im Schatten. Die Dämmerung setzte rasch ein, als die Truppe um die Dorfmitte schlich, bis sie ein einzelnes Bauernhaus im Westen im Blickfeld hatten.
Der Gnollanführer flüsterte Drizzt etwas zu und sprach jedes Wort sorgfältig aus, damit der Dunkelelf ihn verstehen konnte. »Eine Familie«, krächzte er. »Drei Männer, zwei Frauen…«
»Eine junge Frau«, fügte ein anderer eifrig hinzu.
Der Gnollanführer knurrte. »Und drei junge Männer«, schloß er.
Drizzt meinte, dass er jetzt den Zweck der Reise begriff, und sein überraschter und fragender Gesichtsausdruck veranlaßte den Gnoll, ihm umgehend jeden Zweifel zu nehmen.
»Feinde«, erklärte der Führer.
Drizzt, der eigentlich gar nichts über die beiden Rassen wusste, steckte in einem Zwiespalt. Die Gnolle waren Verbrecher – soviel war klar -, und sie hatten vor, über das Bauernhaus herzufallen, sobald der letzte Hauch Tageslicht weg war. Drizzt hatte nicht vor, sich ihnen in ihrem Kampf anzuschließen, bis er nicht mehr über die Ursache des Konflikts in Erfahrung gebracht hatte.
»Feinde?« fragte er.
Augenscheinlich konsterniert runzelte der Gnollanführer die Stirn. Dann brachte er wieder ein Kauderwelsch hervor, in welchen nach Drizzts Meinung die Worte »Mensch… Schwächling… Sklave« vorkamen. Jeder der Gnolle spürte die plötzliche Beklommenheit des Drows, und dann fingen sie an, sich gegenseitig nervöse Blicke zuzuwerfen.
»Drei Männer«, sagte Drizzt.
Der Gnoll stieß seinen Speer voller Wucht in den Boden. »Töte den Ältesten! Erwische zwei!«
»Frauen?«
Das gemeine Grinsen, das sich auf dem Gesicht der Gnolle ausbreitete, beantwortete die Frage zweifelsohne, und langsam erkannte Drizzt, auf welcher Seite er in dieser Auseinandersetzung stand.
»Was ist mit den Kindern?« Er beobachtete den Gnollanführer ohne Umschweife und sprach jedes Wort deutlich aus". Da konnte es kein Mißverständnis geben. Die letzte Antwort bestätigte alles, und obwohl Drizzt die Grausamkeit, mit der man Todfeinden begegnete, akzeptieren konnte, konnte er das eine Mal, als er bei einem Überfall mitgewirkt hatte, doch niemals vergessen. An jenem Tag hatte er ein Elfenkind gerettet, hatte das Mädchen unter dem Leichnam der Mutter versteckt, damit sie nicht dem Zorn seiner Dunkelelfkameraden ausgeliefert war. Von den vielen bösen Geschehnissen, deren Zeuge Drizzt geworden war, war Kindermord am schlimmsten gewesen.
Der Gnoll donnerte mit dem Speer auf den Boden, auf seinem Hundegesicht zeichnete sich eine verrückte Schadenfreude ab.
»Ich denke nicht«, lautete Drizzts schlichte Antwort. In seinen lavendelfarbenen Augen loderte ein Feuer auf. Die Gnolle mussten feststellen, dass er urplötzlich die Krummschwerter in Händen hielt.
Wieder bewegte sich der Rüssel des Gnolls, dieses Mal aus Verwirrung. Er versuchte, den Speer hochzuziehen, um sich zu verteidigen, denn er wusste nicht, was der eigenwillige Dunkelelf als nächstes vorhatte, aber da war es schon zu spät.
Drizzt bewegte sich sehr schnell. Bevor sich die Speerspitze des Gnolls auch nur rührte, stürzte sich der Drow mit erhobenen
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