Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
versteckt sein? Zögernd schaute er nach.
Ein pechschwarzer Haarschopf. Ein dunkelrotes Gesicht. Zwei unglaublich kleine, fuchtelnde Hände.
»Eine kleine Markgräfin, Euer Gnaden. Eure Tochter.« Alexander schluckte wieder. Seine Tochter! Ein Mädchen. Der leichte, kurze Stich von Enttäuschung verflog rasch. Denn er hielt bereits das kleine Leben in seinen Armen und spürte Zusammengehörigkeit, Fürsorge, Verantwortung. Eine unbändige Liebe brach in ihm Bahn. Alexander lachte, und sein Blick war etwas getrübt.
So wie Cecilie aussah - und dann wurde es dieses Herzchen! So viel Lärm um nichts. Aber was für ein Nichts! Wieder und wieder bewunderte er seine neugeborene Tochter.
Der Feldscher stand in der Tür. »Oh, nein, Herr Markgraf! Noch sind wir nicht fertig. Da kommt noch was! »Was?«
»Schnell hinein«, sagte der Feldscher zur Hebamme. Zwillinge? Zwei kleine Mädchen!
Die Hebamme hatte ihm das Kind entrissen und war hineingeeilt. Alexander stand mit leeren Händen da und horchte auf das zarte Gewinsel.
Aber sie war ruhig, solange ich sie in meinen Armen hielt, dachte er. Vielleicht fühlte sie sich bei mir geborgen, bei ihrem Vater? Er wollte es jedenfalls glauben.
Diesmal schrie Cecilie nicht. Aber er konnte an ihrem verbissenes, unterdrücktes Wehklagen hören, daß etwas vor sich ging.
Dann mischten sich zwei kleine Stimmen. Beide Kinder lebten! Nochmals: Danke, lieber Gott!
Nun konnte er sich nicht mehr brav zurückhalten. Er klopfte an die Tür.
»Nur noch einen Augenblick«, sagte die Hebamme. »So, ja. Kommt herein!«
Alexander trat ein. Cecilies müde Augen funkelten ihm entgegen. Auch die anderen lächelten. Eine Zwillingsgeburt ist immer etwas Besonderes.
Gewiß begegnete einem damals noch manchmal die Meinung, daß Zwillinge verhext seien, und daß man deshalb das zuletzt geborene Kind töten oder aussetzen solle, aber das kam doch nur noch in sehr finsteren, abergläubischen Kreisen vor.
»Aber… sie sehen sich ja gar nicht ähnlich?« rief Alexander aus. »Ich dachte, Zwillinge gleichen sich wie ein Ei dem anderen!«
»Wenn sie aus ein und derselben Fruchtblase kommen, dann ja«, sagte der Feldscher. »Das ist bei diesen beiden aber nicht der Fall.«
Das zuletzt geborene kleine Wesen hatte leuchtend dunkelrotes Haar, lockig, wohingegen das der Schwester gerade abstand. Auch die Gesichtszüge waren nicht gleich.
Aber sie waren Wohlgestalt, alle beide. Alexander lachte benommen. »Wir hatten vor, wenn es ein Mädchen wird, sie Gabriella zu nennen - nach meiner unglückseligen Mutter. Aber wie soll das andere Kind heißen? Lisa nach deiner Mutter Liv? Oder Leonora?«
»Ich glaube, darüber wäre er sehr beleidigt«, sagte Cecilie mit einem Lächeln in den Augenwinkeln.
Alexander stand der Mund offen. Dann lachte er über das ganze Gesicht. »Meint ihr … es ist ein Junge?« »Was sonst?« sagte Cecilie leichthin.
Der frischgebackene Vater sank auf ihr Bett nieder. Cecilie sagte zärtlich: »Daß du bei allem immer so grünlich sein mußt, Alexander. Aber vielen Dank!« »Ich danke dir, meine Liebste! Das haben wir gut gemacht, nicht wahr?« sagte er den anderen zugewandt. »Es hätte nicht besser sein können, Euer Gnaden«, antwortete der Feldscher.
Cecilie wie Alexander dachten dasselbe: An dem verzauberten Platz im Wald, wo die Kinder empfangen wurden, war die Hexe Sol, die Vielseitige, doch gewesen, mit ihrem spöttischen Lächeln. Und hatte ihnen einen wunderbaren Streich gespielt! Sie hatten nur einen Gedanken.
Abgesehen von Trond, der nie die Gelegenheit gehabt hatte, eine Familie zu gründen, hatte von Tengels Enkelkindern nur Tarjei noch keinen Erben. Und er schien es mit dem Heiraten auch nicht eilig zu haben.
Liv rief nach Kolgrim.
»Hast du gehört? Deine geliebte Tante Cecilie hat zwei Kinder bekommen. Einen Jungen und ein Mädchen.« »Oh, wie schön«, sagte Kolgrim. »Wie heißen sie?« »Das Mädchen heißt Lisa Gabriella nach mir und ihrer anderen Großmutter. Dann konnten sie keinen schönen Namen mit »D« finden, deshalb haben sie den Jungen Tancred Christoffer genannt. Du weißt, viele in der Familie haben Namen, die mit »T« anfangen, nach Tengel dem Guten.« »Oder dem Bösen.« »Nein, pfui!« »Nach wem bin ich benannt worden?«
Das kaum merkbare Zögern entging Kolgrim nicht. »Nach deinem Großvater Christian. Das hörst du doch: Christian - Kolgrim. Wäre es nicht nett, wenn die beiden Kleinen herkommen würden - dann kannst du mit ihnen
Weitere Kostenlose Bücher